Seit dem 3. Oktober 2020, dem 30. Jahrestag der deutschen Einheit, erinnert ein Gedenkstein am Uferweg des Großen Eutiner Sees an den Vertrag zwischen den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den Regierungen der BRD und der DDR. Die Reformpolitik Michail Gorbatschows, des Generalsekretärs der KPdSU, hatte die Betonmauern des Kalten Kriegs zum Einsturz gebracht und den „Vier-plus-Zwei-Vertrag“ ermöglicht. Die Verpflichtung aus diesem Abkommen ist fest im nordischen Granitgestein verankert: „Von deutschem Boden wird nur FRIEDEN ausgehen.“ Angesichts der sich zuspitzenden weltweiten Konflikte und Krisen muss dieser Satz unverzüglich ins kollektive Bewusstsein eingehen! . . . .
Eutin galt zwischen 1776 und 1829 als „Weimar des Nordens“: Der Sturm-und-Drang-Dichter Friedrich Leopold zu Stolberg, der Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß, der Dramatiker Heinrich Wilhelm von Gerstenberg, der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi lebten hier. Matthias Claudius, Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Gottfried Herder, Wilhelm von Humboldt und andere bedeutende Persönlichkeiten suchten in der Residenz der Lübecker Fürstbischöfe den Gedankenaustausch. Der Komponist Carl Maria von Weber wurde hier geboren. Auch an den Goethe-Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein sei erinnert.
Auf Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“ basiert die heutige UN-Charta. Kant prägte den damaligen Zeitgeist: den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“. Im Zentrum stand das Streben nach einem dauerhaften Frieden. Insofern steht der Eutiner Friedenskreis, der sich in den 1980er Jahren als Teil der weltweiten Friedensbewegung gründete, auf festem historischem Fundament. Drei seiner Mitglieder wirken auch in unserem Verein. . . .
Der Friedenskreis konnte durchsetzen, dass die Garnisonstadt Eutin vor einem Jahr am Eingang zum Seepark einen Friedensbaum pflanzte. Nunmehr konnte der dazu gehörende Gedenkstein platziert werden. Mehr als fünfzig Bürger*innen wohnten der Einweihung bei, darunter Eutins Stellvertretende Bürgermeisterin Elgin Lohse und der Stellvertretende Bürgervorsteher Manfred Ehmke. Pastor i.R. Lutz Tamchina vom Friedenskreis erinnerte in seiner Rede an Michail Gorbatschows Appell von 2017:
„Heute steht die Menschheit vor großen Herausforderungen, und es müssen die weltweite Aufrüstung, die verschärfte soziale Ungleichheit, die Klimakrise und die zunehmenden Verteilungskämpfe um knapper werdende Ressourcen zusammen gedacht werden.“ (M. Gorbatschow)
Der Friedenstein steht m.E. auch für das „Neue Denken“ während der Perestroi-ka. Immer noch haben Michail Gorbatschows Appelle großes Gewicht. Es droht die Selbstvernichtung der Menschheit durch Atomkriege. Ihre Selbstverbrennung durch die vom homo sapiens sapiens verursachte Klimaerhitzung ist bereits eingeleitet. Die weiter wachsenden Bedrohungen einzudämmen erfordert ein ebenso rasches wie langfristiges, über Legislaturperioden hinausgehendes politisches Denken und Handeln. Der Aufbau einer stabilen und bewusst regulierten Welt erheischt tiefgreifende gesellschaftliche Wandlungen: die Entmilitarisierung der Welt, die Durchsetzung einer neuen Weltwirtschaftsordnung, die Gewährleistung der freien Wahl des eigenen Entwicklungswegs für alle Völker.
„Heute appelliere ich an alle Menschen, die nicht nur an sich denken und denen die Zukunft ihrer Kinder und Enkel nicht gleichgültig ist, ihre Bemühungen zu vereinen, um die Welt vor Kriegsleid, vor der Bedrohung einer Umweltkatastrophe, vor Armut und Rückständigkeit zu bewahren. Das Ziel, eine sicherere, gerechtere und stabilere Weltordnung aufzubauen, ist realistisch, und es lohnt sich, dafür alles zu tun, was in unserer Macht steht. Lassen Sie uns nicht vergessen: Wir leben alle auf EINEM Planeten! Wir sind EINE Menschheit!“ (Михаил Горбачев, 2017)
(Oktober 2020. Hansjürgen Schulze. Der Beitrag entstammt der Zeitschrift „Plön 2035“ Nr. 2-2020)
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