Vom Plöner Klimaschutz-Konzept zur Klimaschutz-Strategie

Der SÖBP-Sprecher Hansjürgen Schulze und dessen Stellvertreter Bernd Jenning, ehemaliger Ratsherr in Kiel, verfassten am 8.11. 22 dieses Positionspapier:

Überfordert der Klimawandel Plöns Ratsmitglieder?                                                                                                                       

Am 3,11.2022, wenige Tage vor der 27. Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich, verbreitete der Deutschlandfunk eine Meldung der Weltwetterorganisation WMO: Bisher erhitzte sich der Globus um 1,3°C. Über den Landmassen verläuft der Anstieg weitaus dynamischer. Besonders in Europa sind die „Temperaturen … im Zeitraum von 1991 bis 2020 im Durchschnitt um etwa 0,5 Grad Celsius pro Jahrzehnt gestiegen. Halte der Trend an, würden Extremwetterereignisse wie außergewöhnliche Hitze, Waldbrände und Überschwemmungen die Bevölkerungen, die Wirtschaft und die Ökosysteme weiter schädigen.“ Laut Deutschem Wetterdienst betrug die Erhitzung hierzulande von 1901 bis 1990 0,7°C (von 7,8°C auf 8,5°C).  Bei einem Weiter so wären  es 2050 11,5°C (+ 3,7°C). Fünf Jahre inklusive 2022 waren seit 2010 im Durchschnitt wärmer als10,2°C. Sinkt als dessen Folge z.B. die Population von Hummeln und Bienen, mangelt es an Bestäubern vieler Obst- und Gemüsesorten (vgl. „Plön 2035“ Nr. 4).      .             .

Die ehrenamtlichen Plöner Lokalpolitiker*innen wissen vor lauter Herausforderungen (u.a. Bewältigung von Corona, Unterbringung von Flüchtlingen) oft nicht, wo ihnen der Kopf steht. Am 21.9.2022 stellte unser Verein, das Sozialökologische Bündnis Plön e.V. (SÖBP), den sechs im Plöner Rat vertretenen Fraktionen diese beiden Fragen:

1.: Erkennen die Fraktionen die Notwendigkeit an, das Plöner Klimaschutzkonzept an das Urteil des BVerfG vom 29.4.21 zum deutschen Klimaschutzgesetz in Verbindung mit entsprechenden Maßnahmen des Landes SH anzupassen und die Klima-neutralität statt 2050 schon 2045 zu erreichen?

2.: Sind die Fraktionen bereit, dem Konstanzer Vorbild entsprechend eine Klimaschutz-Strategie erarbeiten zu lassen, um bis 2035 weitgehend klimaneutral zu sein: durch 100% Erneuerbare sowie warmmietenneutrale energetische Gebäudesanierungen?

Obwohl Plöns Stellvertretende Bürgervorsteherin Frau Thode-Rothhaar (SPD) uns zeitnahe Antworten zusicherte, blieben diese bisher aus. Ausnahme: Ratsherr Schröder (Linksfraktion) beantwortete beide Fragen mit einem klaren „Ja“. Am selben Tag verabschiedete die Ratsversammlung ein Ortsentwicklungskonzept, das keinerlei Bezüge zum Plöner Klimaschutzkonzept erkennen ließ .

Ratsherr Schräder  am SÖBP-Infostand 28.10.22

Nimmt die Plöner Ratsversammlung ihr Klimaschutz-Konzept ernst?

Im September 2019 beschloss die Ratsversammlung auf Druck von Fridays 4 Future, SÖBP, Linksfraktion und Plöner Agenda-2030-Initiative, „im Rahmen unserer Möglich-keiten zum Klimaschutz beitragen“ zu wollen. Anders als viele andere Städte, darunter Kiel, Lübeck, Neumünster und Bad Segeberg, verweigerte sie sich der Ausrufung des Klimanotstands als einer vermeintlich „reinen Symbolpolitik“ (Ingo Buth).         .                    .                                                                                     

Nur weil Fördermittel bereitstanden, stellte die Stadt trotz angespannter Finanzlage einen Klimaschutzmanager ein. Nach 17 Monaten Kooperation mit dem  Hamburger Büro OFC Consulting präsentierte er im März 2021 ein Klimaschutzkonzept: Plön solle 2050 klimaneutral sein. Dabei hatte der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) am 14. Mai 2020 aufgrund aktueller Daten des Weltklimarats erklärt: „Unter Vernachlässigung der historischen Emissionen und auf Grundlage des Anteils der deutschen Bevölkerung an der Weltbevölkerung im Jahr 2016 ergibt sich für Deutschland ein maximales Paris-kompatibles CO2-Budget von 6,7 Gt CO2 ab 2020. Würden weiterhin wie im Jahr 2019 jährlich 0,71 Gt CO2 ausgestoßen, so wäre das verfügbare Budget bereits 2029 aufgebraucht“ (SRU: Umweltgutachten 2020, S.51). Nur die konsequente Reduktion des THG-Ausstoßes ermögliche eine Verlängerung bis 2035.  Das Bundesverfassungsgericht bekräftigte am 29.4.2021 die SRU-Darstellung. Am 31.8.2021 trat die deutsche Klimaschutzgesetznovelle in Kraft. Heute ist immer noch nicht absehbar, ob und wann die Stadt Plön ihr Klimaschutzkonzept anpassen wird.                       .

Auf unsre Nachfrage erklärte Klimaschutzmanager Prüß geb. Hartmann im Juli 2021, ihm sei es bei der Auflistung von 25 Maßnahmen um die Ermittlung der Potenziale für den Klimaschutz gegangen. Hätte er sich an die Vorgabe des SRU gehalten, hätte er der Bilanzierung des Energiebedarfs der drei Sektoren Strom, Verkehr und Wärme die höchste Priorität einräumen müssen. Wir vermuten, dass die Förderkriterien 2050 als Zieljahr vorgaben. Wir verglichen dies mit Konstanz, das als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen hatte und darum 2035 „weitgehend klimaneutral“ sein will. Unser Verdacht wuchs, dass Plöns Entscheidungsträger*innen ihren Beschluss, „im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Klimaschutz beitragen“ zu wollen, nicht ernst nehmen. Konstanz hat seit Februar 2022 eine ausgearbeitete Strategie: Ein Konzept ist die Analyse eines Ist-Zustands mit Hinweisen zum Soll-Zustand. Strategie ist der Weg zum Soll-Zustand. Ohne Strategie zur Erreichung der Klimaschutzziele verfolgen Plöns Ratsmitglieder zwar sinnvolle und wichtige, dennoch willkürliche Einzelaspekte, u.a. die Eindämmung des Plastiktütenverbrauchs in den Supermärkten und ein Projekt zur Rettung des überdüngten Kleinen Plöner Sees durch Züchtung von Mikroalgen in der Kläranlage, das ebenfalls nur zustande kam, weil es öffentlich gefördert wird.                                                                                              

Zum gleichfalls geförderten Schwerpunkt soll die Installation eines Nahwärmenetzes im Quartier Plön-Südwest nach dem Vorbild dänischer Kommunen werden. 2022 werden die dänischen Nahwärmenetze im Durchschnitt zu je einem Drittel durch Windstrom, Holz aus dem Baltikum und Erdgas gespeist. Angesichts der horrenden Holz- und Gaspreise gerieten die Nahwärmenetze im Wettbewerb mit solarbasierten elektrischen Wärmepumpen ins Hintertreffen. Wir plädierten schon im März 2021 in unsrer Quartalszeitschrift „Plön 2035“ Nr. 3 für solarstrombasierte Wärmepumpen.   .                                                                                              

Davon unberührt beschloss die Ratsversammlung ein zu 75% vom Land SH gefördertes Ortsentwicklungskonzept. Es soll zur Entwicklungsleitlinie für die nächsten 8 bis 12 Jahre werden und sollte – das schlagen wir vor – Plöns Klimaschutz-Strategie enthalten.

 

Politik und Bürger*innen müssen es gemeinsam richten    

Wir haben das Klimaschutzkonzept kritisch aufgearbeitet und einen Fehler bei der Bilanzierung des territorialen Plöner Endenergiebedarfs im Basisjahr 2018  entdeckt: Während der deutsche Pro-Kopf-Endenergieverbrauch bei 30,04 MWh/a liegt (2.500 TWh/a bei 83,2 Mio Einwohnern), spricht das Plöner Konzept von 224 GWh/a (daselbst, S. 23) – bei 9.000 Einwohnern sind dies pro Kopf 24,89 MWh/a. Der industrielle Sektor entfällt in Plön. Zusammen mit dem exterritorialen Verkehr müsste Plöns Energiebedarf auf rund 50% des deutschen Pro-Kopf-Verbrauchs von 30,04 MWh/a korrigiert werden. Das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung ifeu, das die Konstanzer Klimaschutzstrategie ausgearbeitet hatte, ermittelte 1300 GWh/a für 90.000 Einwohner, d.h. pro Person 14,44 MWh/a. Konstanz ähnelt in markanten Bereichen der Plöner Stadtstruktur (Lage am See, Tourismus, wenig bzw. keine Industrie). Wir halten die ifeu-Berechnung für plausibel und kommen auf einen Plöner Pro-Kopf-Energieverbrauch von ebenfalls 14,44 MWh. Ifeu prognostiziert für 2035 dessen Halbierung (ein Golf-Benziner braucht z.B. 7,8 Liter Benzin auf 100 km, d.h. 78 kWh. Ein E-Golf benötigt für dieselbe Strecke 16 kWh Strom).

Wir ermittelten für Plön 2035 einen Pro-Kopf-Endenergiebedarf von 7 MWh bzw. 63 GWh/a für die Stadt („Plön 2035“ Nr. 4, S. 15). Das scheint machbar z.B. durch PV-Anlagen auf und an 1.000 Gebäuden  (à 13 kWp, 870 Volllaststunden), 6 Windräder (à 2,6 MWp, 2.900 Volllaststd.) und 9 ha Agro-PV über Spiel- und Parkplätzen, landwirtschaftlichen Flächen und/oder auf einem der kleineren Seen innerhalb der Plöner Gemarkung.

Ob dieses Ziel erreicht wird, „hängt aber nicht nur von der technologischen und ökonomischen Machbarkeit, sondern auch erheblich von der gesellschaftlichen Bereitschaft zu massiven Veränderungen, einem außerordentlichen politischen Gestaltungswillen mit einer konsequenten Fokussierung auf die Umsetzung sowie weiteren Rahmenbedingungen wie einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit ab“   (Wuppertal-Institut, Oktober 2020: Diskussionsbeitrag für Fridays 4 Future, S.11).     .

„Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die die Zustimmung und Mitarbeit der gesamten Bevölkerung benötigt. … Die Maßnahmen zur Eindämmung der Erdüberhitzung erfordern massive Veränderungen in unserer Infrastruktur, unserem Mobilitäts- und Konsumverhalten sowie in unserer Wirtschaftsweise. Transformationsprozesse bedürfen der öffentlichen Auseinandersetzung und müssen von einer großen Mehrheit gestaltet und gewollt sein. Den Menschen muss die Angst vor Veränderung genommen werden. Der Kommune kommt hier eine wichtige Rolle zu: sie kann Diskussionen anstoßen, eigene Maßnahmen zur sozial-ökologischen Transformation umsetzen und Graswurzel-Initiativen vor Ort unterstützen“ (Konstanz: Klimaschutz-Strategie, Endfassung S. 7). Näheres zu den bevorstehenden mannigfaltigen Aufgaben entnehmt bitte unsrer Webseite: https://sozialoekologisches-buendnis-ploen.de.

Wir sind ein Bildungsverein und orientieren uns an den 17 nachhaltigen Entwicklungs-zielen der Vereinten Nationen, insbesondere an deren Leitsatz: „No one leave behind“: Niemand soll auf der spannenden Reise in unsre gemeinsame Zukunft zurückbleiben!