KZ-Außenlager Hohwacht, 27. Januar 2017: Unsere Rede

Am 5.1.2017 hat sich das Sozialökologische Bündnis Plön als Verein gegründet. Noch im Frühjahr wollen wir diesen zu einem gemeinnützigen e.V. weiter entwickeln.

Unser erstes öffentliches Auftreten hatte einen historischen Anlass: Am 27. Januar jährte sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 72. Mal. Im Kreis Plön, mitten im Ostseebad Hohwacht, befand sich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ein Außenlager des KZ Neuengamme. Es wurde mit einer „kriegswichtigen Produktion“ beauftragt: Der Gründer des Kieler Unternehmens Anschütz & Co hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kreiselkompass erfunden. Dank Mitwirkung von Albert Einstein in den 1920ern war die Firma noch 1944 auf dem Gebiet der Navigationstechnik weltweit führend.  Ursprünglich war vorgesehen, den Einbau der Navigationsgeräte in die V2 an deren Produktionsstandort in einem Berg bei Nordhausen am Harz (KZ Dora Mittelbau) vorzunehmen, doch die klimatischen Bedingungen standen dem im Wege. Die ursprüngliche Produktionsstätte in Kiel war durch einen alliierten Luftangriff im August 1944 komplett zerstört worden. Also kam man auf die Idee, die Produktion nach dem Vorbild von Peenemünde an einen unauffälligen Ort inmitten des heutigen Ostseebads Hohwacht zu verlegen.

Viele Jahrzehnte lang widersetzte sich die Gemeinde Hohwacht einem öffentlichen Erinnern. Doch einer örtlichen Bürgerinitiative gelang es, 1999 gegen den Widerstand des CDU-dominierten Gemeinderats am historischen Ort einen Gedenkstein zu errichten. Neben Vertretern dieser Initiative und dem Kreisverband Plön der LINKEN beteiligte sich erstmals auch das Sozialökologische Bündnis Plön. Dabei suchten wir, das Gedenken mit unsrer Zukunftsvision zu verbinden. Hier unsere Rede:

 

„Ziehen wir die Lehren aus dem menschenverachtenden KZ-Außenlager  H o h w a c h t !

Bis Juni 1944 suchte die SS in allen Konzentrationslagern von Frankreich bis Polen nach Fachkräften unter den KZ-Häftlingen. Sie wurden im KZ Buchenwald  bei Weimar zu einem internationalen Spezialkommando zur Herstellung von Raketen-Steuerungselementen für die V2 zusammengezogen. 200 Häftlinge, darunter 100 Polen, 30 bis 40 Sowjetbürger, 13 Deutsche und Österreicher sowie Angehörige anderer Nationen landeten im November 1944 in Baracken des dem KZ Neuengamme zugeordneten Außenlagers Hohwacht. Sie waren Elektro-Ingenieure, Elektro-Techniker, Radio-Techniker, Feinmechaniker, Technik-Studenten, Dreher, Fräser, Tischler usw.

Unter menschenunwürdigen Zuständen, laut SS waren sie „keine Menschen“, produzierten sie unter Anleitung der Fa. Anschütz & Co. aus Kiel für die V2 wichtige Navigationselemente. Die Bewachung erfolgte durch die SS.

Zum Glück überlebten bei Kriegsende im April 1945 die meisten von ihnen, aber nur durch massives Eintreten der Anschütz-Leitung gegenüber der SS: Himmler hatte befohlen, dass kein einziger dem Feind in die Hände fallen dürfe.

Geblieben sind ihnen bis ans Lebensende ihre Traumata und Ängste.

Auch in Zeiten des Kalten Krieges und heute arbeiten spezialisierte Techniker und Ingenieure in der Rüstungsindustrie, wohl wissend, dass mit ihren Produkten andernorts unschuldige Menschen getötet und Lebensgrundlagen zerstört werden. Weil sie es wissen, ist es oft eine seelische  Belastung, ein stetiges Trauma. Für sie und für uns alle ist es nicht länger hinnehmbar!

 

„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“ (Brecht).  Der gesellschaftliche Rechtsruck verpflichtet uns, die wir heute leben, in einer besonderen Weise, dem Schwur von 21.000 Buchenwald-Häftlingen vom 19. April 1945 gerecht zu werden: „Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“

Es gibt Alternativen zu Rüstung und Krieg: die Energiewende, welche die unheilvolle „Sicherung unserer Ressourcen“, wie es im Weißbuch 2006 der Bundeswehr und auch in deren Weißbuch von 2016, S. 41 heißt, weltweit durchkreuzt: „Statt Öl vom Scheich Strom vom Deich!“. Es gibt nachhaltige Alternativen in der Landwirtschaft, E-Mobilität und vieles mehr, umzusetzen durch Genossenschaften und Kommunen.  Für einen notwendigen und sinnvollen sozialökologischen Umbau für uns alle und die nachfolgenden Generationen!

Sozialökologisches Bündnis PLÖN

Hansjürgen Schulze                 Dr. Helmut Grewe“