Vorbemerkung: Am Sonntag, dem 16. Juli, hielt ich auf einer Tagung des Landesrats der Linkspartei Schleswig-Holsteins, dem höchsten Gremium zwischen den Landesparteitagen, einen Diskussionsbeitrag auf Grundlage des zuvor von mir ausgearbeiteten, unten stehenden Textes. Auf der Tagesordnung stand eine thematische Vorbereitung der nächsten Kommunalwahl am 6. Mai 2018. Zwar tauchte in diversen Diskussionsbeiträgen hin und wieder das Wort „sozialökologisch“ als Alleinstellungsmerkmal der LINKEN auf (in Abgrenzung zu den Grünen, bei denen das „Soziale“ häufig unterbelichtet daherkommt). Es wird höchste Zeit, dass der Inhalt dieses Wortes zum Begriff mutiert, der die Tagespolitik mit bestimmt:
„1: Der Klimawandel erfordert eine Große Transformation zur klimaverträglichen Weltgesellschaft:
Das Gros aller Völker muss sich aktiv beteiligen. Das tut es schon – siehe das Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015. Weitere wichtige UN-Beschlüsse wurden ebenfalls bereits 2015 gefasst, vor allem die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen. Wie auf dem G20-Gipfel 2016 in Hangzou vereinbart, wurde auf dem HamburgerG20-Gipfel in diversen Gremien über die Zusammenführung dieser beiden Stränge verhandelt. Dieser Prozess geht weiter. Hinzu kommt die Enzyklika „Laudato si!“ des Papstes Franziskus vom 26. Mai 2015 („Kapitalismus tötet!“). Das alles heißt: entscheidende Weichen für die Große Transformation zur klimaverträglichen Weltgesellschaft wurden bereits gestellt. Jetzt gilt es, sie umzusetzen. Gegen den sich versteifenden Widerstand der weltweit herrschenden Kapitalfraktionen, der Kohle-, Erdöl- und Atomindustrie samt deren Lobby in vielen Regierungen und ihrer öffentlichen Meinungsmache.
2: „Global denken, lokal handeln!“. Im Zentrum der Großen Transformation zur klimaverträglichen Weltgesellschaft steht die Energiewende. Die Zielstellung lautet: 100 % Erneuerbare bis 2040 in allen drei Sparten Strom, Wärme und Mobilität. Das ist sozial, technologisch und finanziell machbar. Wir sollten es anpacken. Windenergieanlagen und Photovoltaik sind dezentral. Also sollten wir, die weltweit agierenden Kräfte von links bis in die bürgerliche Mitte hinein, bottom-up beginnen, bei uns in Schleswig-Holstein von unseren Kommunen und Landkreisen aus! Tragen wir dazu bei, dass alle Regionen, städtische wie ländliche, bis 2040 Hundert-Prozent-Erneuerbare Energie-Regionen werden!
3: Wie einige andere Kreise auch, hat der Kreis Ostholstein ein Klimaschutzkonzept erstellt. Sylvia, unsre dortige Kreistagsabgeordnete, beteiligt sich an der Klimaschutz-AG des Eutiner Kreistags. Ich unterstütze sie dabei. Daraus folgt mein erster Vorschlag: Der Kreis Plön hat bisher nur ein Klimaschutz-Teilkonzept für alle kreiseigenen Immobilien erstellt. Das reicht nicht. Der sozialökologische Umbau, wie ihn auch unser Programm fordert, erfordert ein analoges Konzept für den Kreis Plön.
4: Um das Pariser Klimaabkommen zu verwirklichen, muss bis 2040 der Jahresausstoß pro Kopf von derzeit 11 auf 1,5 Tonnen CO2 reduziert werden. Das ist eine gigantische, aber dennoch bei politischem Willen lösbare Aufgabe. Die beiden Hauptkomponenten lauten: Strukturierter Ausstieg aus der Braunkohle bis spätestens 2030 und 100 % EE bis 2040, siehe oben. Die Bundesregierung, hat zwar das Pariser Klimaabkommen ratifiziert, tut jedoch eine Menge, die Umsetzung im Profitinteresse von E.on, RWE, VW, Mercedes-Benz und Konsorten und getrieben von den Wirtschaftsflügeln ihrer Parteien so weit wie möglich hinaus zu zögern.
5: „Wir sollten über die Energiewende nicht als Ziel reden, sondern als Weg.“ Dabei nicht vor der Größe der Aufgabe kapitulieren, sondern die Chance für eine soziale, ökologische und ökonomische Entwicklung nutzen. Hierzu ein Beispiel: In der Gemeinde Zschadraß bei Leipzig betreibt eine Bürgerstiftung ein Windrad und mehrere Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden, deren Erlös sozialen Zwecken zukommt: Wegfall der Kindergarten-Elternbeiträge und gesonderte Unterstützung von SchülerInnen aus einkommensschwachen Familien: Zuschuss für das Schulmittagessen und für das Sommerferienlager der Kommune.
6: Stichwort regionale Wertschöpfung: Laut Klimaschutzkonzept des Kreises OH wurde vor allem durch die im Kreis errichteten Windräder 2015 eine regionale Wertschöpfung von 44 Mio Euro pro Jahr erzielt. Wohin jedoch fließt diese ab? Prognostiziert für 2050 sind 99 Millionen. Es geht um Tausende neue Arbeitsplätze, vor allem in den Sektoren Handwerk, Dienstleistung, Gewerbe und Industrie. Dem stehen Einsparungen von Hunderten Millionen Euro an fossiler Energie gegenüber: „Statt Öl vom Scheich Strom vom Deich“. Der Großteil der Wertschöpfung erfolgt durch umfangreiche Investitionen: in WEA, PV, energetische Gebäudesanierung, E-Mobilisierung, nachhaltige Umgestaltung der Landwirtschaft und Industrialisierung ländlicher Räume, u.a. durch Aufbau einer nachhaltigen chemischen Industrie auf Grundlage nachwachsender Rohstoffe, u.a. von Flachs und Hanf. Stärkung von Sparkassen und Volksbanken. Über allem steht die Digitalisierung. DIE LINKE lehnt rein ökologisches Denken zu Lasten der Schwachen ab – vorerst ist dies bei den Grünen besser aufgehoben. Wir stehen für SOZIALökologie, d.h. für die Einheit von sozialer und ökologischer Politik.
Hierzu drei Beispiele:
a: Rechtsanspruch auf kostenlose Energiesparchecks für alle Finanzschwachen;
b: kommunale Beihilfen zum Austausch besonders stromfressender Elektrogeräte (Kühlschränke!);
c: energetische Gebäudesanierungen nach dem Bielefelder Klimabonus.
7: Dem dezentralen Charakter der Energiewende entsprechend setzen wir auf kleine und mittelständische Unternehmen, insbesondere auf Energiegenossenschaften. Die Investitionen sollten von der einheimischen Bevölkerung aufgebracht werden, damit die Wertschöpfung in der Region bleibt und nicht etwa an britische Pensionsfonds abfließt. Mit diesem Aspekt steht und fällt die Akzeptanz etwa von Windrädern in der Bevölkerung. DIE LINKE sollte sozialpolitische Aspekte in ihre regionale Klimaschutzstrategie einbinden, z.B. gute Löhne und – im Zusammenhang mit der Digitalisierung – ein bedingungsloses Grundeinkommen, finanziert durch die Erlöse aus der Großen Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft.
8: Heute schon sollten wir die Photovoltaik-Potenziale in Schleswig-Holstein ausschöpfen und PV-Paneele mitsamt Speichern in die Städte holen! Mieterstrommodelle werden derzeit politisch heiß diskutiert. Die Sonne schickt keine Rechnung – warum sollten wir auf die billige Solarenergie vom Dach unsrer Wohnhäuser verzichten! Die Kilowattstunde Solarstrom kostet zurzeit 9 Cent – in Katar bereits unter drei Cent. Windstrom ist heute schon deutlich günstiger als Kohlestrom, wenn wir die externen Kosten mit berechnen, die wir als Krankenkassenbeiträge bezahlen, z.B. für die Behandlung des eingeatmeten Kohlendioxids, Quecksilbers und vieler anderer Stoffe der Kohle- und Ölindustrie. Betroffen sind die Schwächsten, sie müssen wegen der etwas moderateren Mieten dort leben, wo sich der Feinstaub konzentriert, und eine geringere Lebenserwartung in Kauf nehmen.
9: DIE LINKE-SH wird für eine ebenso soziale wie zukunftsfähige Mobilität kämpfen. Für ticketfreien ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, Modal Split und Carsharing–Projekte. Auch die E-Mobilität sollten wir in die Klimaschutzkonzepte einbinden, sodass der billige Solarstrom die Batterien von Elektroautos direkt an den Wohngebäuden speist. Verkehrsforschern zufolge werden schon bei der übernächsten Kommunalwahl 2023 Elektroautos wettbewerbsfähig sein, bald darauf werden sie auch bei der Anschaffung „preisgünstiger“ als Benziner sein, bei 1000 km Reichweite. Das ist auch notwendig, denn die Große Transformation zur klimaverträglichen Weltgesellschaft erfordert bis 2040 100 % Erneuerbare in den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Sollte die deutsche Autoindustrie diese Entwicklung weiter verschlafen und sich der Ausstieg aus der Braunkohle weiter verzögern, werden wie in heutigen Entwicklungsländern chinesische Investoren bereit stehen und die regionale Wertschöpfung wird entsprechend ins Reich der Mitte abfließen. Stellen wir uns als LINKE auch dieser Herausforderung!