„Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert brachte eine gesellschaftliche Doppelbewegung hervor: Einerseits Kommodifizierung („Vermarktlichung“) in einem Ausmaß, das die Gesellschaft existenziell bedroht. Andererseits eine Gegenbewegung, die auf sozialen Schutz vor den Aggressionen des Marktes und damit den Erhalt der Gesellschaft abzielt. Karl Polanyi hat diese Doppelbewegung herausgearbeitet und überzeugend dargestellt, dass es sich bei der Gegenbewegung um eine dezentrale und spontane Reaktion zum Selbstschutz der Gesellschaft handelt (Polanyi 1973 [1944]).
Daraus ergibt sich die Frage was heute, im Zeitalter des globalisierten, finanzgetriebenen Kapitalismus, des Neoliberalismus, anders ist. Angesichts des pervertierten Ausmaßes an Kommodifizierung (Ausuferung der Finanzmärkte, Arbeitsmarktflexibilisierung, Privatisierung lebensnotwendiger Güter wie Wasser etc.) kommt die Gegenbewegung erstaunlich schwach daher“ (Steffen Stierle, 26.9. in „Makroskop“). ABER NICHT ÜBERALL!
Mit dieser (leicht gekürzten) Rede begeisterte der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn den Parteitag in Brighton. (Übersetzung: Friedrich-Ebert-Stiftung, entnommen den NachDenkSeiten)
Von Jeremy Corbyn | 28.09.2017
Liebe Genossinnen und Genossen, gegen alle Vorhersagen haben wir im Juni den größten Stimmenzuwachs seit 1945 und das beste Labour-Ergebnis seit einer Generation erreicht. Das ist ein Resultat, das die Torys zur Kenntnis nehmen müssen und das Labour auf die Schwelle zur Macht befördert.
Es stimmt, wir haben nicht gut genug abgeschnitten und bleiben vorerst in der Opposition, aber wir sind nun eine Regierung im Wartestand. Unser hervorragendes Schattenkabinett ist heute hier. Und unsere Botschaft an das Land könnte klarer nicht sein: Labour ist bereit.
Bereit, gegen Ungleichheit vorzugehen, bereit, unseren National Health Service umzubauen, bereit, jungen Menschen Chancen, älteren Menschen Würde und Sicherheit zu geben, bereit, in unsere Wirtschaft zu investieren und die Herausforderungen durch Klimawandel und Automatisierung anzunehmen, bereit, Frieden und Gerechtigkeit ins Zentrum unserer Außenpolitik zu stellen. Und bereit, eine neue und progressive Beziehung zu Europa aufzubauen.
Wir sind bereit, und die Torys sind es offensichtlich nicht.
Im Wahlkampf erklärte Theresa May ihren Wählern, es bestehe die Gefahr einer „Koalition des Chaos“. Wisst ihr noch? Nun, jetzt führen sie uns vor, wie genau das aussieht. Und ich meine damit nicht nur den verzweifelten Deal der Premierministerin mit der Democratic Unionist Party. Nein, sie hat eine „Koalition des Chaos“ an ihrem eigenen Kabinettstisch versammelt: Phillip Hammond und Liam Fox, Boris Johnson und David Davis.
Wir sind bereit, und die Torys sind es offensichtlich nicht.
Sie gehen einander an die Kehle, zanken und intrigieren, setzen alle Hebel in Bewegung, um die Premierministerin aus Downing Street Nummer Zehn zu drängen und bei der erstbesten Gelegenheit ihren Platz einzunehmen, statt die massiven Probleme unseres Landes in den Griff zu bekommen.
Doch diese Koalition des Chaos ist kein Spaß. Seht euch nur die Bilanz der Konservativen an, seit sie im Amt sind:
· der am längsten andauernde Lohnrückgang seit Beginn der Statistik
· eine Verdoppelung der Obdachlosigkeit
· immer länger werdende Wartelisten beim National Health Service
· Schulklassen werden immer größer, Lehrer kündigen
· über 4 Millionen Kinder leben heute in Armut
· 20 000 Stellen bei der Polizei […] und 11 000 bei der Feuerwehr wurden gestrichen
· mehr arbeitende Menschen […] denn je sind arm
· eine Rüge der Vereinten Nationen, weil die Rechte von Behinderten missachtet werden
Das hat nichts mit Stärke und Stabilität zu tun. Das ist gefühllos und berechnend. Denn die Torys haben sich ausgerechnet: Wenn sie für Millionen von Menschen im Namen der Sparpolitik die Lebensverhältnisse verschlechtern, können sie damit happige Steuergeschenke an die Reichen und Mächtigen finanzieren.
Liebe Genossinnen und Genossen, eure Anstrengungen im Wahlkampf haben die Torys lahmgelegt. Das Wahlergebnis hat bei einigen ihrer verheerendsten politischen Vorhaben bereits eine Kehrtwende nach der anderen verursacht. Die grausame Demenz-Steuer wurde schon drei Tage nach ihrer Ankündigung kassiert. Pläne zur Wiedereinführung von Gymnasien sind passé. Drohende Einschränkungen für das Triple-Lock-System zur Stabilisierung der Renten sind vom Tisch; die Zusage, die Fuchsjagd wieder zu erlauben, wurde zurückgezogen. Und der Plan, Gratismahlzeiten an den Grundschulen abzuschaffen, landete im Papierkorb.
Die Wahrheit ist: Knapp drei Monate nach der Wahl zerreißt die Koalition des konservativen Chaos ihr Wahlprogramm und zerfetzt sich selbst. Die Torys sind ideenlos und ohne jede Energie. Offenbar pflücken sie sich aus der Labour-Politik nun sogar die schönsten Ideen heraus, auch zum Brexit.
Ich sage der Premierministerin: „Nur zu. Aber wennschon, dennschon. Dann beenden Sie auch die Sparmaßnahmen, schaffen Sie die Studiengebühren ab, stellen Sie die Gehaltsdeckelung im öffentlichen Dienst ein. Ich glaube, für all diese Maßnahmen finden wir im Unterhaus eine Mehrheit. Diese Regierung ist schwach und gespalten, und sie hat abgesehen vom Machterhalt keine Ziele mehr.
Es ist die Labour Party, die heute die Themen vorgibt und ein neues gemeinsames Verständnis darüber entwickelt, welche Richtung unser Land einschlagen sollte.
Es ist die Labour Party, die heute die Themen vorgibt und ein neues gemeinsames Verständnis darüber entwickelt, welche Richtung unser Land einschlagen sollte.
Liebe Genossinnen und Genossen, in unserem Wahlkampf gab es zwei Stars. Der erste war unser Wahlprogramm, das die Ideen unserer Mitglieder und Gewerkschaftler und die Hoffnungen und Ziele ihrer Gemeinden und Betriebe aufgriff. Und wir haben klar gesagt, wie wir das finanzieren wollen, nämlich, indem wir die reichsten und größten Unternehmen auffordern, endlich ihren gerechten Anteil zu bezahlen.
Indem wir nicht einfach nur umverteilen in einem System, das den meisten Menschen nichts bringt, sondern indem wir das System verändern. So haben wir nicht nur klargemacht, wie wir öffentliche Dienstleistungen bewahren werden, sondern auch, wie wir unsere Wirtschaft umbauen und in sie investieren werden, mit einem Motor für nachhaltiges Wachstum, der sich in öffentlicher Hand befindet und von nationalen und regionalen Investmentbanken betrieben wird, damit in jeder Region und Nation gute Jobs und Wohlstand geschaffen werden.
Unser Wahlprogramm ist das Programm einer modernen, progressiven sozialistischen Partei, die ihre Wurzeln und ihren Sinn wiederentdeckt hat und sich damit gegen den europaweiten Trend stemmt. Und, liebe Genossinnen und Genossen, der andere Star dieser Kampagne, das wart IHR. Unsere Mitglieder, unsere Unterstützer in den Gewerkschaften, unsere Leute im Haustürwahlkampf und in den sozialen Medien.
Labour war die Partei der Einheit, die Generationen und Gemeinden zusammenbrachte, statt Junge gegen Alte gegeneinander aufzuhetzen, wie es die Torys getan haben. Wir werden nie eine Generation ausquetschen, um eine andere zu unterstützen. Unter Labour gewinnen die Menschen gemeinsam.
Natürlich gab es auch solche, die nicht allzu gut aus der Wahl hervorgingen. Ich denke da an einige unserer eher traditionellen Freunde aus den Medien. Sie haben den Wahlkampf betrieben, wie sie es immer tun, und auf Befehl ihrer im Steuerexil sitzenden Eigentümer Labour ein ums andere Mal verrissen. Am Tag vor der Wahl widmete eine Zeitung vierzehn Seiten dem Angriff auf die Labour Party. Unser Ergebnis stieg um fast 10 Prozent. Angesichts einer so überwältigend feindlich gesinnten Presse und einer Armee aus Trollen in den sozialen Medien ist es umso wichtiger, dass wir zusammenhalten.
Natürlich werden wir nicht immer einer Meinung sein, aber es ist nicht zu entschuldigen, wenn Menschen beleidigt werden. Wir legen unsere Differenzen mit demokratischen Abstimmungen bei und stellen uns dann gemeinsam hinter diese Entscheidungen.
Das ist die Labour Party, hier in dieser Woche und in den Kommunen draußen in JEDER Woche: vielfältig, offen, demokratisch und bereit, unserem Land zu dienen.
In der Politik gibt es derzeit keine größere Herausforderung als den Brexit, ein unglaublich wichtiger und komplexer Vorgang, der sich nicht darauf reduziert lässt, dass man einfach die Märchen wiederholt, die einst die Wahlkampfbusse schmückten, oder fünfzehn Monate verstreichen lässt und dann Plattitüden von sich gibt. Als demokratische Sozialisten akzeptieren und respektieren wir das Ergebnis der Volksabstimmung, aber Respekt vor einer demokratischen Entscheidung heißt nicht, dass man der waghalsigen Brexit-Agenda der Torys grünes Licht gibt, denn sie würde Großbritannien eine Trumpsche Abwärtsspirale der Rechte und der Unternehmenssteuern bescheren.
Wir werden nicht untätig zusehen, wie ein hoffnungslos unfähiges Verhandlungsteam die Arbeitsplätze der Menschen, ihre Rechte und ihren Lebensstandard aufs Spiel setzt. Ein Team, das mehr an seinen eigenen Vorteilen interessiert ist als daran, das beste Verhandlungsergebnis für unser Land zu erzielen. Zugegeben, Theresa Mays Rede in Florenz letzte Woche einte tatsächlich das Kabinett. Zumindest ein paar Stunden lang. Ihr Flugzeug war kaum in Heathrow gelandet, als die Streitigkeiten schon wieder losbrachen.
Wir werden nicht untätig zusehen, wie ein hoffnungslos unfähiges Verhandlungsteam die Arbeitsplätze der Menschen, ihre Rechte und ihren Lebensstandard aufs Spiel setzt.
Niemals wurden in einer so entscheidenden Frage die nationalen Interessen so schlecht vertreten. Gäbe es keinen anderen Grund dafür, dass die Torys ihren Hut nehmen, wäre ihre eigennützige Brexit-Stümperei schon Grund genug. Ich habe daher eine einfache Botschaft an das Kabinett. Großbritannien zuliebe: Reißen Sie sich zusammen, oder machen Sie Platz.
Eines muss völlig klar sein. Die 3 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger, die derzeit in Großbritannien leben und arbeiten, sind hier willkommen. Sie wurden von unserer Regierung in einer Wolke aus Unsicherheit alleingelassen, obwohl ihre Zukunft schon vor Monaten hätte geklärt werden können. Also, Theresa May, geben Sie ihnen die komplette Garantie, die ihnen heute zusteht. Wenn Sie das nicht tun, werden wir es machen.
Seit der Volksabstimmung konzentriert sich unser Brexit-Team vor allem auf unsere wirtschaftliche Zukunft. Diese Zukunft ist nun ernsthaft bedroht. Eine mächtige Gruppe innerhalb der konservativen Führung betrachtet den Brexit als Chance, ein Steuerparadies in Europa zu schaffen: einen deregulierten Spielplatz für Hedgefonds und Spekulanten mit Billiglöhnen und niedrigen Steuersätzen. Ein paar Wenigen an der Spitze würde das sehr nützen, keine Frage. Aber die Industrie würde vor die Wand gefahren, qualifizierte Arbeitsplätze gingen verloren, unsere Steuergrundlage würde wegbröckeln, unsere öffentlichen Dienstleistungen müssten noch weiter zusammengestrichen werden.
Weniger als achtzehn Monate trennen uns heute vom Verlassen der Europäischen Union. Und bislang hat das Tory-Trio, das die Gespräche führt, nichts erreicht und so gut wie nichts vereinbart. Dieses Mecker-Kabinett verbringt mehr Zeit mit Verhandlungen untereinander als mit der EU. Es besteht die Gefahr, dass der ungeregelte Brexit Realität wird. Deshalb hat Labour deutlichgemacht, dass Großbritannien für eine begrenzte Übergangsperiode im Binnenmarkt und in der Zollunion verbleiben soll. Zumindest ist begrüßenswert, dass Theresa May dies mit großer Verspätung akzeptiert hat.
Nach diesem Übergang aber haben wir eine andere Aufgabe. Wir müssen alle Menschen in unserem Land hinter der progressiven Vision darüber versammeln, was Großbritannien sein könnte, allerdings mit einer Regierung, die für die Vielen einsteht, nicht für die Wenigen.
Labour ist die einzige Partei, die Brexit-Befürworter und Brexit-Gegner zusammenbringen, das Land für eine Zukunft jenseits des Brexit einen kann. In den Brexit-Verhandlungen kommt es darauf an, ein Ergebnis zu erzielen, das Arbeitsplätze, Rechte und vernünftige Lebensverhältnisse garantiert.
Liebe Genossinnen und Genossen, die wahren Alternativen für den Brexit liegen auf dem Tisch: Entweder gibt es einen chaotischen Tory-Brexit, der die Standards senkt. Oder einen Labour-Brexit, der die Arbeitsplätze in den Mittelpunkt rückt, einen Brexit für die Vielen, einen, der uns einen unbeschränkten Zugang zum Binnenmarkt sichert und ein neue kooperative Beziehung zur EU etabliert.
Ein Brexit, der die aus Brüssel zurückgeholten Befugnisse dazu nutzt, eine neue Industriestrategie zu verfolgen, um unsere Wirtschaft in jeder Region und Nation zu verbessern. Einer, der unserer Wirtschaft Priorität einräumt und nicht irgendwelchen künstlichen Einwanderungszielen, die nur Ängste schüren. Wir werden niemals wie die Torys Migranten für die Probleme unserer Gesellschaft verantwortlich machen. Es sind nicht die Migranten, die die Löhne und Arbeitsbedingungen verschlechtern, sondern die schlimmsten Chefs in Absprache mit der konservativen Regierung, die keine Gelegenheit auslässt, die Gewerkschaften anzugreifen und die Rechte der Beschäftigten zu schwächen.
Die Labour Party wird verhindern, dass Arbeitgeber Löhne und Arbeitsbedingungen verschlechtern, sie wird sich nicht an Rassismus oder der Suche nach Sündenböcken beteiligen. Auf welche Weise Großbritannien die Europäische Union verlässt, ist zu wichtig, als dass man es den Konservativen und ihren internen Kämpfen und Identitätskrisen überlassen darf.
Die Wahrheit ist […], dass unter den Torys die Zukunft Großbritanniens auch unabhängig vom Ausgang des Brexit-Prozesses gefährdet ist. Unsere Wirtschaft garantiert uns keine sicheren Wohnverhältnisse mehr, keine gut bezahlten Arbeitsplätze, keinen steigenden Lebensstandard. So entwickelt sich ein neues gemeinsames Verständnis darüber, wie das Land geführt werden sollte. Dafür haben wir vor der Wahl gekämpft, denn wir brauchen es dringend, um das kaputte Modell zu ersetzen, das Margaret Thatcher vor vielen Jahren entwickelte.
Zehn Jahre nach der globalen Finanzkrise glauben die Torys immer noch an ihr dogmatisches Mantra: deregulieren, privatisieren, die Steuern der Reichen senken, Arbeitnehmerrechte schwächen, ein paar Wenigen Gewinne erlauben und den Vielen Schulden aufbürden. Nichts hat sich verändert. Als wären wir in einer politischen und wirtschaftlichen Zeitschleife gefangen.
Die Zeit ist gekommen, dass unsere Regierung die Umstrukturierung der Wirtschaft forciert. Die Zeit ist gekommen, dass Unternehmensvorstände für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Die Zeit ist gekommen, dass wir ein neues Modell für das Wirtschaftsmanagement entwickeln, das die gescheiterten Dogmen des Neoliberalismus ablöst. […] Deshalb will Labour nicht nur die von der Sparpolitik angerichteten Schäden reparieren, sondern die Wirtschaft transformieren, mit einer neuen und dynamischen Rolle für den öffentlichen Sektor, vor allem dort, wo der private Sektor offenkundig versagt hat.
Nehmen wir die Wasserversorgung. Von den neun Wasserversorgungsunternehmen in England sind sechs im Besitz von Unternehmensbeteiligungen oder ausländischen Staatsfonds. Ihre Gewinne werden als Dividenden an die Aktionäre weitergereicht, während die Infrastruktur verkommt, die Unternehmen wenig oder keine Steuern zahlen und die Managergehälter bei sinkendem Service in die Höhe schnellen. Deshalb wollen wir unsere Versorgungsunternehmen wieder in die öffentliche Hand überführen, um sie in den Dienst des Volkes und der Wirtschaft zu stellen und zu verhindern, dass die Öffentlichkeit weiter abgezockt wird.
Natürlich muss noch viel mehr getan werden. Unsere National Investment Bank […] und der Transformation Fund sollen dazu genutzt werden, öffentliche Investitionen zu mobilisieren und Wohlstand und gute Arbeitsplätze zu schaffen. Bei Treffen mit Wirtschaftsleuten habe ich immer offen darauf hingewiesen, dass wir in die Bildung und Ausbildung der Arbeitskräfte investieren werden, dass wir von der Energieversorgung bis zur Digitalisierung in bessere Infrastruktur investieren werden, dass wir aber von den Großkonzernen fordern werden, ein bisschen mehr Steuern zu bezahlen.
Die Wirtschaftspolitik der Torys zeugt nicht von Unternehmergeist. Sie zieht Geld ab. Sie konzentriert sich nicht auf langfristige Investitionen und die Schaffung von Wohlstand.
Die Wirtschaftspolitik der Torys zeugt nicht von Unternehmergeist. Sie zieht Geld ab. Sie konzentriert sich nicht auf langfristige Investitionen und die Schaffung von Wohlstand. Wenn man nicht darauf hört, was sie sagen, sondern sich ansieht, was sie tun, dann geht es immer nur darum, Löhne, Dienstleistungen und Standards zu senken […] und so möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, wobei die Regierung nicht dem Volk dient, sondern den globalen Konzernen. Und diese Gleichgültigkeit gegenüber der grassierenden Ungleichheit, dieses Aushöhlen unserer öffentlichen Dienstleistungen, diese Geringschätzung der Machtlosen und Armen hat dazu geführt, dass unsere Gesellschaft brutaler und weniger fürsorglich ist.
Wir müssen uns dringend den Herausforderungen der Automatisierung stellen, die so viele Arbeitsplätze überflüssig machen könnte.
Dieses Thema ist eine Gefahr in den Händen der Gierigen, doch es ist eine riesige Chance, wenn es mit Blick auf die Interessen der Gesamtgesellschaft behandelt wird. Aus den großartigen technologischen Fortschritten werden wir nicht das Beste machen, wenn sie monopolisiert und die Gewinne für ein paar Wenige optimiert werden. Doch wenn wir für diese Errungenschaften staatliche Regelungen einführen – um die Vorteile breit zu verteilen –, können sie ein neues Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit ermöglichen. Ein Sprungbrett sein für größere Kreativität und Kultur.
Die Welle der Automatisierung und des technologischen Wandels bringt es mit sich, dass wir Umschulung und Management der Arbeitskräfte in den kommenden Jahren ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken müssen. Labour wird daher ein Bildungs- und Weiterbildungssystem aufbauen, das die Menschen von der Wiege bis zur Bahre ertüchtigt.
Niemand wird ihnen Schulden aufbürden.
Zu diesem Zweck werden wir einen National Education Service gründen, der Kostenfreiheit für alle College-Kurse, für jede technische und berufliche Ausbildung garantiert, damit die Kosten niemanden abschrecken und jeder die Chance hat zu lernen. Das wird Millionen von Menschen eine faire Chance eröffnen. Lebenslanges Lernen für alle ist für die Wirtschaft der Zukunft unerlässlich. Die massiven Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, die sich unter dem Einfluss der Automatisierung vollziehen werden, müssen geplant und staatlich begleitet werden. Millionen von Menschen müssen umgeschult werden. Nur Labour kann das sicherstellen.
Wie Angela Rayner gestern sagte, wird unser National Education Service klaren Prinzipien folgen: universell, frei und ertüchtigend. Das steht im Zentrum unseres Sozialismus für das 21. Jahrhundert, der für die Vielen ist, nicht für die Wenigen.
Doch wenn wir die Wirtschaft so verändern, dass sie dem ganzen Land nützt, müssen wir auch die Leitung unseres Landes verändern.
Wenn wir die Wirtschaft so verändern, dass sie dem ganzen Land nützt, müssen wir auch die Leitung unseres Landes verändern.
Damit die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, muss unsere Demokratie aus Westminster ausbrechen und sich in alle Teile unserer Gesellschaft und Wirtschaft ausbreiten, in denen die Macht zügellos ist.
Überall auf der Welt steht die Demokratie zwei Gefahren gegenüber:
Die eine ist das Aufkommen eines autoritären, intoleranten und aggressiven Nationalismus.
Die zweite Gefahr ist scheinbar harmloser, jedoch gleichermaßen heimtückisch. Sie besteht darin, dass große Entscheidungen der Elite überlassen werden. Dass politische Entscheidungen als nebensächlich und Menschen in erster Linie als Verbraucherinnen und Verbraucher und erst in zweiter Linie als Bürgerinnen und Bürger gelten.
Demokratie muss deutlich mehr sein als das.
Demokratie muss bedeuten, dass man Menschen auch abseits vom Wahlkampf zuhört. Nicht nur den Reichen und Mächtigen, die es gewöhnt sind, den Ton anzugeben, sondern auch denen an vorderster Front, die tatsächlich wissen, was Sache ist.
Wie der Beamte der Greater Manchester Police, der Theresa May vor zwei Jahren davor warnte, dass Einschnitte bei der Polizei das Leben und die Sicherheit von Menschen gefährden würden. Seine Bedenken wurden als das „Heulen eines Wolfs“ abgetan.
Oder wie die Altenpflegerinnen und Altenpfleger, die gefeuert werden, wenn sie auf die Misshandlung von Pflegebedürftigen aufmerksam machen.
Oder die Lehrerinnen und Lehrer, die eingeschüchtert werden, wenn sie die mangelnde Finanzierung der Schulen unserer Kinder beklagen.
Oder die Ärzte, denen man nicht zuhört, wenn sie davor warnen, dass der National Health Service vor unseren Augen zerbröselt, oder wenn sie die Sicherheit ihrer Patienten gefährdet sehen.
Labour kämpft für eine Gesellschaft, in der nicht nur der Lohn gerechter verteilt wird, sondern in der die Regierung, die Kommunen, die Arbeitgeber den Menschen besser zuhören.
Labour kämpft für eine Gesellschaft, in der nicht nur der Lohn gerechter verteilt wird, sondern in der die Regierung, die Kommunen, die Arbeitgeber den Menschen besser zuhören.
Vor zwei Jahren habe ich euch versprochen, dass wir Politik anders machen würden. Das war nicht immer einfach. Es gibt nicht wenige, denen die alte Politik lieber ist. Aber lasst es mich noch einmal sagen. Wir werden Politik anders machen.
Das entscheidende Wort ist „wir“.
Nicht nur Führungspolitiker sollen sagen, dass alles anders wird, sondern jede und jeder soll die Gelegenheit haben, unsere Demokratie zu formen. Unsere Rechte als Bürgerinnen und Bürger sind so wichtig wie unsere Rechte als Verbraucherinnen und Verbraucher. Macht soll nicht in Westminster und Whitehall monopolisiert, sondern an die Gemeinden übertragen werden.
Gehen wir noch einen Schritt weiter: Stellen wir die öffentlichen Dienstleistungen in die Verantwortung der Gemeinden. Machen wir die Unternehmen der Öffentlichkeit gegenüber verantwortlich, uns Politiker wirklich denen gegenüber verantwortlich, denen wir dienen. Sorgen wir dafür, dass die nächste Labour-Regierung Großbritannien verändert, indem sie tatsächlich die Macht in die Hände des Volkes gibt, die kreativen, mitfühlenden und engagierten Menschen in unserem Land.
Im Inland, aber auch im Ausland ist unsere Politik geprägt von unserem Mitgefühl und unserer Solidarität mit Menschen.
Darunter sind diejenigen, die gerade die Schäden der Hurrikane in der Karibik beseitigen, der Überschwemmungen in Südasien und Texas, der Erdbeben in Mexiko. Unsere gegenseitige Abhängigkeit auf diesem Planeten kann offensichtlicher gar nicht sein.
Insbesondere die Umweltkrise erfordert eine gemeinsame globale Reaktion. Deshalb ist die Drohung Präsident Trumps, sich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückzuziehen, auch so besorgniserregend. Es besteht kein Widerspruch zwischen dem Einhalten unserer Klimaschutzverpflichtungen und der Investition in den Aufbau einer starken Wirtschaft auf der Grundlage hochentwickelter Branchen.
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Der Kampf gegen den Klimawandel kurbelt Investitionen in grüne Branchen und Zukunftsjobs kräftig an, solange dieser Prozess als Teil eines nachhaltigen Übergangs staatlich begleitet wird.
Tragischerweise wissen wir, dass auch der Terrorismus keine Grenzen kennt.
Allein in diesem Jahr haben wir in Großbritannien fünf schockierende Beispiele erlebt. Zwei ereigneten sich während des Wahlkampfes, einer in meinem eigenen Wahlkreis. Andy Burnham und Sadiq Khan – die Bürgermeister von Manchester und London – trugen beide entscheidend dazu bei, dass die Menschen nach diesen brutalen Attentaten zusammenhielten.
Angriffe auf unsere Demokratie, auf junge Besucherinnen eines Popkonzerts, auf Menschen, die abends ausgehen, auf Gläubige vor einer Moschee, auf Pendler, die zur Arbeit fahren – all diese Taten sind entsetzliche Verbrechen.
Wir verdammen gemeinsam die Verbrecher und unterstützen die Notfalldienste und Sicherheitsbehörden, die für unsere Sicherheit sorgen.
Doch wir wissen auch, dass der Terrorismus in einer Welt gedeiht, die unsere Regierungen mit geformt haben: gescheiterte Staaten, Militärinterventionen und Okkupationen, die Millionen von Menschen zwingen, vor Krieg oder Hunger zu fliehen. Wir müssen das in Zukunft besser machen und statt reflexartiger Bombardierungen langfristige Hilfe leisten, damit Konflikte gelöst und nicht geschürt werden.
Und wir müssen unsere Werte ins Zentrum unserer Außenpolitik stellen. Demokratie und Menschenrechte sind keine freiwillige Zugabe, die im Einzelfall gewährt wird. Deshalb dürfen wir zu dem grausamen saudischen Krieg im Jemen nicht schweigen, während wir weiter Waffen an Saudi-Arabien liefern, oder zur Niederschlagung der Demokratie in Ägypten und Bahrain oder zu dem tragischen Verlust an Menschenleben im Kongo.
Wir müssen unsere Werte ins Zentrum unserer Außenpolitik stellen. Demokratie und Menschenrechte sind keine freiwillige Zugabe, die im Einzelfall gewährt wird.
Und ich sage heute zu Aung San Suu Kyi, einer Verfechterin der Demokratie und der Menschenrechte: Beenden Sie jetzt die Gewalt gegen die Rohingya in Myanmar und gewähren Sie der UN und internationalen Hilfsorganisationen Zutritt zum Rakhaing-Staat. Die Rohingya leiden schon zu lange!
Wir müssen unbeirrt friedliche Lösungen für internationale Krisen verfolgen.
Lasst uns leisere Töne anschlagen, Dialog und Verhandlungen stärken, um die zutiefst gefährliche Konfrontation um die Koreanische Halbinsel herunterzufahren. Ich appelliere an den UN-Generalsekretär Antonio Guterres, mit der vollen Macht seines Amtes in Washington und Pjöngjang den notwendigen Dialogprozess in Gang zu setzen.
Und lasst uns alles daransetzen, die Unterdrückung des palästinensischen Volkes, die fünfzigjährige Besatzung und den illegalen Ausbau der Siedlungen zu beenden und eine echte Zweitstaatenlösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt herbeizuführen.
Die Stimme Großbritanniens muss in der Welt unabhängig gehört werden.
Wir müssen ein aufrichtiger Freund der Vereinigten Staaten sein, heute mehr denn je.
Den gemeinsamen Werten wird nicht gerecht, wer Mauern baut, Immigranten aufgrund ihrer Religion nicht ins Land lässt, den Planeten verseucht oder Rassismus fördert. Und lasst es mich offen sagen: Die Rede des US-Präsidenten vor den Vereinten Nationen letzte Woche war zutiefst beunruhigend. Er drohte mit Krieg und sprach davon, internationale Vereinbarungen zu zerreißen. Bar jeder Sorge um Menschenrechte oder universelle Werte war das nicht die Rede eines globalen Führungspolitikers. Unsere Regierung hat eine Verantwortung. Sie darf diesen Kurs nicht widerspruchslos mitgehen. Wenn unsere besondere Beziehung irgendeine Bedeutung hat, dann, dass wir Washington mitteilen: Das ist der falsche Weg.
Ganz sicher ist das notwendig im Falle Bombardier, in dem nun Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen. Eine Premierministerin, die unsere wirtschaftliche Zukunft verwettet, indem sie auf ein dereguliertes Handelsabkommen mit den USA setzt, soll doch bitte erst einmal erklären, wie Zölle von 220 Prozent unsere Exporte steigern sollen.
Sorgen wir also dafür, dass Großbritannien die Stimme laut und vernehmlich für Frieden, Gerechtigkeit und Kooperation erhebt.
Liebe Genossinnen und Genossen, oft wird gesagt, dass Wahlen nur von der Mitte her zu gewinnen sind.
Und gewissermaßen ist das auch nicht falsch – solange klar ist, dass das politische Gravitationszentrum nicht fix oder unbeweglich und auch nicht dort verortet ist, wo die Experten des Establishments es vermuten.
Es verlagert sich mit den Erwartungen der Menschen, mit den Veränderungen, die sie erleben, und dem politischen Raum, der sich öffnet. Die Mitte von heute ist sicherlich nicht dort, wo sie sich vor zwanzig oder dreißig Jahren befand.
Aus der großen Wirtschaftskrise und den Jahren der Sparpolitik, in denen die Menschen eine politische Stimme fanden, um ihren Hoffnungen auf etwas anderes und Besseres Ausdruck zu verleihen, entsteht ein neuer Konsens.
2017 könnte das Jahr sein, in dem die Politik endlich angemessen auf die Krise von 2008 reagiert – weil wir den Menschen eine klare Alternative anbieten.
Für die Schwerpunkte, die wir im Wahlkampf gesetzt haben, müssen wir einen noch breiteren Konsens schaffen, müssen für Mitgefühl wie auch für gemeinsame Ziele werben. Das ist das wahre Gravitationszentrum der britischen Politik.
Wir sind jetzt der politische Mainstream.
Unser Wahlprogramm und unsere politischen Ziele sind so populär, weil die meisten Menschen in unserem Land genau das tatsächlich wollen und nicht das, von dem man ihnen einredet, dass sie es wollten. Deshalb hat unsere Partei mittlerweile doppelt so viele Mitglieder wie alle anderen Parteien zusammen.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben den Status quo hinter uns gelassen, aber nun müssen wir beweisen, dass der angestrebte Wandel glaubhaft und wirkungsvoll ist. Wir haben unsere Spaltungen hinter uns gelassen. Aber nun müssen wir unsere Einheit in die Praxis umsetzen. Wir wissen, dass wir bereit sind für den Wahlkampf. Aber wir müssen auch bereit sein, die Regierung zu übernehmen. Unsere Kompetenz muss unseren Zielen entsprechen.
Labour kann und wird ein Großbritannien für die Vielen schaffen, nicht für die Wenigen.
Im Wahlkampf bin ich in allen Teilen unseres Landes Menschen begegnet, habe ihnen zugehört. Notleidende Alleinerziehende, junge Leute, die durch ihre Chancenlosigkeit ausgebremst werden. Rentner, die beunruhigt sind wegen der Gesundheits- und Sozialfürsorge, Beamte, die sich abmühen, den öffentlichen Dienst zusammenzuhalten. Leute mit niedrigem und mittlerem Einkommen, Selbstständige und Angestellte, die unter Unsicherheit und sinkendem Lebensstandard leiden. Aber sie alle haben die Hoffnung, dass sich etwas ändern könnte und Labour etwas bewirkt. Viele hatten vorher noch nie oder jahrelang nicht gewählt. Doch sie haben ihr Vertrauen in unsere Partei gesetzt. Wir haben ihnen ein Gegenmittel zu Apathie und Verzweiflung angeboten.
Alle sollen wissen: Wir lassen euch nicht im Stich. Denn wir hören euch zu, denn wir glauben an euch.
Labour kann und wird ein Großbritannien für die Vielen schaffen, nicht für die Wenigen.
Danke.