Nach dem Rechtsruck der BT-Wahl: Jetzt erst recht – für ein rot-rot-grünes Projekt!

Liebe MitstreiterInnen im Sozialökologischen Bündnis Plön und darüber hinaus!

Von der gestrigen Bundestagswahl bleibt auch bei uns zunächst der Schrecken. Dabei war die Tendenz seit zwei Jahren deutlich. So zeichnete sich immer klarer das Rollback seitens des fossilistischen Imperiums ab. ABER: Was als Durchmarsch der Rechten erscheint, verweist genau besehen eher auf eine Polarisierung, damit aber auf die Chance einer Politisierung (nicht nur) der europäischen Gesellschaften. Am greifbarsten scheint das wie so oft anderswo der Fall zu sein, in den USA (Sanders), in Großbritannien (Corbyn), den Niederlanden (Klaver) und in Frankreich (Mélenchon). Doch könnte das Pendel auch in Deutschland im Gefolge der krachenden Niederlagen von Schulz und Merkel nach links schlagen – ich glaube: deutlicher und schneller, als viele das für möglich halten.

Der Vorschlag, den ich hier im Folgenden skizzieren möchte, gilt zunächst  bis zur nächsten Kommunalwahl in SH am 6. Mai 2018. Es geht nicht primär um Parteien und ihre KandidatInnen, nicht primär um das Sammeln von Stimmen für die linken Parteien, sondern um die gemeinsame Programmatik und, mehr noch, um das gemeinsame Projekt eines linken gesellschaftlichen Aufbruchs weit über die Parteien hinaus, eines linken gesellschaftlichen Pols. Ich schlage vor, aus der Gesellschaft heraus, in dieser Gesellschaft und für diese Gesellschaft solidarisch um diese Programmatik und das rot-rot-grüne Projekt zu ringen. Und: Ich schlage vor, mit dem Sozialökologischen Bündnis Plön zu beginnen, dabei den Schulterschluss anzustreben mit gleichgerichteten Bürgerinitiativen, von unten nach oben und quer zu den politischen Bindungen, in denen wir stehen. Die Orientierung auf den Mai 2018 ist dabei nur eine erste Frist, weil es nicht nur um die Herausbildung, sondern auch um die Durchsetzung eines gemeinsamen linken Projekts in unsrer Region, dem Dreieck Kiel – Lübeck – Neumünster geht: um die Einleitung einer wirklichen Umwälzung dieser Gesellschaft in ihrer sozialökologischen Transformation. Deshalb ist die gemeinsame Arbeit längerfristig angelegt, zu der ich uns MitstreiterInnen im SÖBP und darüber hinaus einlade: politisch orientiert auf 2025 (DiEM25 und Installation einer nicht neoliberalen rot-rot-grünen Bundesregierung) und sozialökologisch auf die Realisierung von 100 % Erneuerbaren bis zum Jahr 2040.

Die Welt ändert sich. Sie verändert sich radikal und in ungeahntem Tempo. Wie so oft geht das Neue mit dem Schrecken einher. Der Klimawandel verschärft die gewaltsamen Konflikte vor allem im Nahen Osten und in Afrika. Im Gefolge der mehr als einer Million Flüchtlingen wurden 2015 Brandanschläge auf deren Unterkünfte verübt: versuchte und z.T. realisierte Morde in vielen Fällen. Während Wahl um Wahl Rechtsradikale in die Länderparlamente einzogen, wusste die politische Mitte nichts Besseres zu tun, als sich der Drift nach rechts anzuschließen: bis hin zum offenen Bruch des Völkerrechts im infamen Pakt mit dem türkischen Regime.

2015 war zugleich ein gutes Jahr.                                                                                                                      

Es gelangen wichtige Weichenstellungen zur klimaverträglichen Weltgesellschaft – beginnend mit der Enzyklika des Papstes Franziskus vom 26.5.2015 „Laudato si!“ und deren Kernaussage: „Kapitalismus tötet!“. Heute vor exakt zwei Jahren, am 25. September 2015, beschloss die UN-Vollversammlung einstimmig die „Agenda 2030“ mit ihren 17 Sustainable Development Goals und 169 Unterzielen. Knapp drei Monate später folgte in Gestalt des Pariser Abkommens der Durchbruch in der internationalen Klimapolitik. Jetzt steht die Umsetzung an. An sich wäre die UN-Vollversammlung für die Umsetzung zuständig, doch die Aussichten auf eine Einigung in allen Details sind angesichts der oft tiefgreifenden Differenzen zwischen den Staaten minimal. Dem entsprechend verlagert sich die Aufgabe auf die G20, die zwar ebenfalls von tiefgreifenden Widersprüchen durchzogen ist, die aber dennoch am ehesten zu einer konstruktiven Zusammenarbeit in der Klimafrage fähig sind. Dem entsprechend beschlossen die G20-Staaten auf ihrer Konferenz 2016 in Hangzhou, in einem mehrjährigen Prozess die beiden Stränge (Agenda 2030 und Pariser Abkommen) zusammenzuführen und zu diesem Zweck Arbeitsgruppen zu installieren. Diese arbeiteten im Vorfeld und während des Hamburger G20-Summits, von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, durchaus erfolgreich (siehe: http://www.g20-insights.org/ ).

Der Wandel, in dem sich die Menschheit befindet, macht zunächst eines deutlich: dass die beliebte Rede falsch war, das Zeitalter der Ideologien sei beendet und moderne Politik sei weder rechts noch links, sondern „sachlich“ und „problemangemessen“. Mehr noch: Diese Rede war und ist selbst ideologisch. Sie war und ist die Rede jener, die den Veränderungen dieser Welt mit einer Politik begegnen wollen, die möglichst wenig ändert – und die sich dabei auch noch gut fühlen und auf der richtigen Seite wähnen wollen, jenseits der „alten“, „gescheiterten“, angeblich „verhängnisvollen“ Rhetoriken und Praktiken der „Weltverbesserung“ oder gar des „Klassenkampfs“.

Auch wenn wir diese Botschaft so oft gehört haben: Sie ist falsch und führt in die Irre. Die erste Lektion des Wandels, mit dem wir konfrontiert sind, lautet schlicht: Rechts und Links sind die beiden Pole des Politischen und können als solche nicht verwechselt werden. Die Mitte, wenn es sie überhaupt gibt, wird letzten Endes dem einen oder dem anderen Pol zugehören. Das heißt allerdings nicht, dass uns egal sein könnte, was sich dort tut – im Gegenteil.

Rechts und Links                                                                                                                                                     

Die Welt der Rechten ist kurzfristig und kurzsichtig. Sie schürt Ängste, sät Hass, predigt Gewalt, setzt auf Ungleichheit, schottet sich ab und grenzt andere aus. In der Welt der Rechten fällt den Menschen, der Politik und ihren „Staatsmännern“ nichts Besseres ein, als den von den reichen Ländern mitverursachten Wanderungsbewegungen aus den ärmeren Weltregionen mit der Diagnose „exzessiver Migration“ (David Cameron), der Forderung nach willkürlich gesetzten „Obergrenzen“ (Horst Seehofer) und dem repressiven Schutz der „kulturellen Identität“ Europas (Viktor Orbán) zu begegnen. In der Welt der Rechten sollen die Reichen reich bleiben und die Armen arm, die „Gebildeten“ privilegiert und die „Ungebildeten“ wo sie sind – auf dass die Sozialordnung gewahrt bleibe und der Markt seinem Wirken nachgehen könne. Von dem sollen dann „alle“ profitieren – wenn alles gut geht, also die Armen nicht allzu reich und die „Ungebildeten“ nicht allzu aufmüpfig werden. In der Welt der Rechten sind bestehende ökonomische Ungleichheiten „leistungsgerecht“, Geschlechtergerechtigkeit „widernatürlich“, ökologische Risikodiagnosen „übertrieben“ und Emanzipationsansprüche bestenfalls „unangemessen“, eigentlich aber „anmaßend“. Darin treffen sich alle: RechtspopulistInnen und Neoliberale, AfD und Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die Höckes und die Meuthens.

Die Welt der Linken setzt dem autoritären Wohlstands-, Sicherheits- und Freiheitsdiskurs der Rechten ganz andere, diametral entgegengesetzte Vorstellungen einer guten Gesellschaft entgegen – und ganz andere, völlig konträre Praktiken gesellschaftlichen Handelns. Im Wissen um die Mitverantwortung Europas und des globalen Nordens an den Nöten des globalen Südens steht internationale Solidarität in der Welt der Linken ganz oben auf der politischen und sozialen Agenda. In der Welt der Linken wird gegen die herrschende Politik der Verängstigung für eine Politik der Hoffnung gestritten. In der Welt der Linken wird die Lebbarkeit von Vielstimmigkeit und Verschiedenheit durch eine soziale Infrastruktur ermöglicht, die allen gleichermaßen den Zugang zu den gesellschaftlich notwendigen und wertgeschätzten Gütern erlaubt. Und in ihrer Welt ist die Vermeidung der ökologischen Katastrophe keine Frage von Preisen und „Heimatschutz“, sondern Menschenrecht und Menschheitspflicht.

Jetzt, wir Linke gegen Rechte, die gute Welt gegen die schlechte: ist das nicht alles ein bisschen einfach? Die Antwort lautet: ja und nein. Ja, selbstverständlich ist die soziale Welt, zumal im globalen Maßstab, unendlich komplizierter. Aber am Ende des Tages, in der alltäglichen Auseinandersetzung um die Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse und der konkreten Formen unseres Zusammenlebens, geht es doch um klar unterschiedene gesellschaftspolitische Gegenentwürfe. Die Rechte hat keine Probleme mit Praktiken „schrecklicher Vereinfachung“ – im Gegenteil, sie lebt davon. Die Linke muss der schrecklichen eine glückliche Vereinfachung entgegensetzen, eine Vereinfachung, die den Kern des gesellschaftlichen Geschehens trifft: gegen den Sozialchauvinismus der Rechten die linke Idee und Praxis einer offenen, egalitären, emanzipatorischen und zugleich klimaverträglichen Gesellschaft in Anschlag bringen. („Klimaverträglich“ ist zugleich metaphorisch gemeint.) Dazwischen liegt die scheinbar nur „pragmatische“ Verwaltung des Bestehenden, das „Krisenmanagement“, das weiterhin versuchen wird, sich als „vernünftige“, weil „pragmatische“ Instanz des vermeintlichen „Ausgleichs der Extreme“ in Szene zu setzen. Wohlweislich: Rechte gibt es überall – in Politik und Wissenschaft, Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen. Rechte gibt es auch in der Sozialdemokratie, bei den Grünen und in der Linkspartei. Rechte gibt es unter deutschen Staatsangehörigen wie unter Zugewanderten und Geflüchteten, unter Männern, Frauen und allen anderen Geschlechtern. Wen dies überrascht, der sollte genauer hinschauen, und wer dies bei bestimmten Gruppen besonders „empört“ zur Kenntnis nimmt, verfolgt in der Regel rechte Absichten. Linke wiederum gibt es nicht nur in der Linken, nicht nur in den Zusammenschlüssen und Organisationen, die sich ausdrücklich so nennen. Menschen, die links, doch nicht notwendig „Linke“ sind, gibt es im breiten Feld der politischen Unentschiedenheit, dem ersten und vielleicht sogar wichtigsten Feld, das es gegen die Politik der Angst auf die Seite einer Politik der Hoffnung zu ziehen gilt. Deshalb ist die Welt der Linken potenziell attraktiv für viele, die sich selbst – dem herrschenden Diskurs folgend – „weder rechts noch links“ wähnen, die „unpolitisch“ zu sein behaupten. Dabei ist die Behauptung, „unpolitisch“ zu sein, selbst ein politisches Statement, eine politische Haltung, ja eine politische Handlung.

Das Politische im Unpolitischen entdecken                                                                                                            

Das Politische im Unpolitischen zu entdecken, es für die Welt der Linken zu gewinnen: das ist die vielleicht größte Aufgabe, vor der wir heute stehen. Sie endlich anzugehen schließt ein gründliches Anderswerden auch der Welt der Linken ein: ihre Verwandlung zu einer Welt, in der viele Welten Platz haben. Die organisierte Arbeit am gemeinsamen Programm und Projekt dieser Welt, zu der wir einladen und die vielerorts bereits im Gange ist, wird dazu ein entscheidender Schritt sein. Ist sie gegenwärtig noch die Sache nur von einigen, die Sache einer Minderheit, kann sie schneller als gedacht – und warum eigentlich nicht? – zur Sache einer Mehrheit werden: der Mehrheit, auf die es ankommt. Natürlich bildet sich unser gemeinsames Projekt zuerst in den laufenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, in den konkreten Widerständen, im täglichen Aktivismus wie in der professionellen Arbeit in den unterschiedlichsten Problemfeldern. Es bildet sich auch und gerade in den nächsten und ferneren sozialen Beziehungen des Alltagslebens heraus, auch in der Vielstimmigkeit kultureller und künstlerischer Schöpfung – überall dort, wo Menschen für sich und für alle nach einem „guten Leben“ suchen. Doch ist die Herausbildung von Programm und Projekt zuletzt immer auch eine gemeinsam und eigens anzugehende Sache – die Sache, zu der ich uns alle einlade.

Es geht nicht nur um ein Crossover-Projekt der linken Parteien                                                                                        

Ich habe nie geglaubt, dass das Crossover des sozialökologischen Gesellschaftsumbaus, um das es uns geht, in einer Koalition der rot-grün-roten Parteien seine maßgebliche Instanz oder seinen alleinigen Rahmen finden könnte. Doch gerade diesem Überschuss, diesem „Mehr“ über das bloß Parteipolitische hinaus haben wir nicht die Artikulation verliehen, die nötig gewesen wäre: die heute noch nötiger ist als vorher. Einen Neubeginn zu wagen, schließt deshalb ein, auch mit der Crossover-Linken neu zu beginnen: sie endlich zur gesellschaftsverändernden Linken eines gemeinsamen Programms und Projekts zu machen. Dass dies immer noch, dass dies gerade heute möglich ist, liegt daran, dass wir alle zusammen – „tous ensemble!“, „all together!“ – ein Drittel – vielleicht mehr, vielleicht weniger – der BürgerInnen dieses Landes sind und zugleich zur linken Hälfte der BürgerInnen Europas gehören. Uns eint die Suche nach einer Politik, die zwischen der Welt der Rechten und einer möglichen Welt der Linken den Unterschied ums Ganze machen wird: der Unterschied zwischen einer Welt des Hasses, der Verachtung und der Geringschätzung und einer Welt der Freiheit, der Gleichheit in der Freiheit und einer Geschwisterlichkeit, deren Probe Gastfreundschaft und willkommen heißen sind.

Was also tun? Nach Lage der Dinge und unter dem Eindruck des Schreckens, der uns in die Glieder gefahren ist, spreche ich zunächst einmal nur von der Zeit, die uns von jetzt an bis zur nächsten Wahl bleibt – von heute bis zum Mai 2018. Ich schlage vor, ohne weiteren Aufschub mit dem solidarischen Streit um unser Gemeinsames zu beginnen: dem gemeinsamen Programm und Projekt eines sozialökologischen Gesellschaftsumbaus in unsrer Region. Dieses Projekt und Programm wird auch die Artikulation des Gemeinsamen sein, für das sich viele seit langem schon in ihrem Beruf und im Ganzen ihres Alltags, aber auch in Gewerkschaften, in Sozial- und Umweltverbänden und natürlich auch in Parteien einsetzen. Der Sinn dieses Politisierungsprozesses ist dabei zunächst ein gesellschaftlicher. Parteipolitisch, parlamentarisch wird er nur insoweit sein, als es dabei immer auch darum gehen wird, CDU und FDP eine Wahl einzuräumen: die Wahl, sich der Notwendigkeit einer sozialökologischen Transformation dieses Landes zu stellen und sich dadurch die Möglichkeit zu öffnen, Teil eines Neubeginns der Demokratie zu werden. Ich sage das ohne jede Häme: Mir geht es um eine gesellschaftliche Alternative, an der auch die politischen Parteien nicht vorbei kommen, weil es um das Überleben der Menschheit als Gattung geht.

Global denken, lokal handeln                                                                                                                                 

Die sich im Zeitalter der Globalisierung herausbildende multipolare Weltordnung lenkt unsern Blick auf die europäische Perspektive. Innerhalb dieser hat die Initiative Democracy in Europe Movenment 2025 (DiEM 25)  auf dem vor uns liegenden Weg nicht nur einen ersten Plan, sondern einen in zehn Jahresfristen gestaffelten Horizont umrissen. Ich schließe mich der vom ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis propagierten Idee und der Herausforderung an, aus eigener Kraft die Voraussetzungen zu schaffen, damit im Jahr 2025 die verfassungsgebende Versammlung eines anderen, eines demokratischen Europa zusammentreten kann: der demokratische Neubeginn, zu dessen Bildung ich beitragen möchte, kann letzten Endes nur ein Neubeginn bei der Schaffung eines Europas der untereinander basisdemokratisch verbundenen Regionen sein.

Anmerkung: Dieser Beitrag übernimmt viele Passagen des Aufrufs des Instituts Solidarische Moderne vom 11. Mai 2016:

https://www.solidarische-moderne.de/de/article/471.mit-der-demokratie-neu-beginnen-gegen-die-politik-der-angst-fuer-eine-politik-der-hoffnung.html