Am 11. Februar fand das erste Vierteljahrestreffen 2017 des Koordinierungsrats der Ökologischen Plattform bei der LINKEN in Berlin statt. Thematischer Schwerpunkt war – neben konstruktiven Vorschlägen zum Ökologieteil des Bundestagswahlprogramms – die Zukunft des Automobils. Anwesend waren außerdem die Mitglieder der Bundestags-Linksfraktion Sabine Leidig und Hubertus Zdebel, ein Wissenschaftler der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Steffen Kühne) und der ehemalige Umweltminister und stellvertretende Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Prof. Wolfgang Methling. Die Diskussion hatte Prof. Dr. Dr. Götz Brandt, Mitglied im Sprecherrat der ÖPL, mit unten stehendem Beitrag vorbereitet. Hansjürgen Schulze vom Sozialökologischen Bündnis Plön, Mitglied im Koordinierungsrat, erarbeitete eine schriftliche Erwiderung. Wir publizieren sie anschließend ebenfalls auf dieser Homepage.
„Um die Zukunft der Menschheit zu sichern, sind heutzutage zwei wesentliche Probleme zu lösen: Die Erderhitzung muss sofort gestoppt und der Naturverbrauch muss schrittweise um 80 % gesenkt werden. Diese Probleme müssen vor allem die Industrieländer lösen, die sowohl für den Schadgasausstoß als auch für den hohen Materialverbrauch vorrangig die Verantwortung tragen.
Alle Industriezweige und alle Produkte müssen daraufhin überprüft werden und es sind schnelle Veränderungen notwendig. Für die Autoindustrie heißt das, die Produktion herkömmlicher Autos einzustellen und individuelle Mobile zu produzieren, die im Alltag die Mobilität sichern und dabei hinsichtlich der Schadstofffreiheit im Betrieb und der Materialeinsparung nachhaltige Normwerte erreichen. Mit dieser Forderung wird ein wesentlicher Unterschied zwischen GRÜNER und LINKER Verkehrspolitik deutlich. Die Grünen wollen für die individuelle Mobilität auch weiterhin herkömmliche Autos, aber ohne Verbrennungsmotor. Dieses Ziel soll 2030 erreicht werden, indem nur noch Elektroautos zugelassen werden. Die Autoindustrie darf ihre schweren Blechkarossen weiterhin bauen. Die LINKE will dagegen ein zukunftsfähiges individuelles Mobil, das auch schadstofffrei im Betrieb ist aber mit 80 % Materialeinsparung. Das ist dann keine „Rennreiselimousine“, kein herkömmliches Auto mit Blechkarosserie mehr. Forderungen, auf die individuelle Mobilität gänzlich zu verzichten, wie von einigen NROs erhoben, können angesichts der langlebigen betonierten Auto-Infrastruktur und des von der Industrie installierten Auto-Lebensstils in diesem Jahrhundert nicht mehr verwirklicht werden.
Hier soll untersucht werden, warum die Autoindustrie diese objektiv notwendigen Aufgaben hinauszögert. Sie lehnt die Forderung der Grünen nicht grundsätzlich sondern wegen der Terminstellung ab. Technische Lösungen stehen bereits heute zur Verfügung, um die gestellten Ziele sowohl die der GRÜNEN als auch die der LINKEN schon heute zu realisieren. Zuerst soll die Frage untersucht werden, warum die Autoindustrie den Forderungen zahlreicher NROs (z. B. Greenpeace) und auch der GRÜNEN nicht nachkommt, wenigstens Kleinwagen mit Spritverbrauch unter 1 l / 100 km in Serie zu produzieren. Diese Forderung wurde aufgestellt, um den Spritverbrauch und damit den Schadgasausstoß erheblich zu senken, denn der Verkehr ist für mehr als ein Fünftel des gesamten Schadgasausstoßes in Deutschland verantwortlich.
Grundsätzlich haben die Chefs der Autokonzerne eine Abneigung gegen kleine Autos. Sie bringen zu wenig Profit. Wolfgang Reitzle (BMW) sagte: „Mit dem Smart werdet ihr maximal das verdienen, was das Schiebedach der S-Klasse erwirtschaftet“ und Ferdinand Piëch (VW) verunglimpfte den Smart-Kleinwagen gar als „Elefantenrollschuh“ und „Prothese“. Auch die Bezeichnung „Klumpfuß“
ist bekannt. Dennoch wollte der VW-Konzern den Vorwurf, dass man ein 1-l-Auto nicht bauen könne, nicht auf sich sitzen lassen und mit viel Werbung wurde 2014 nach 10-jähriger Entwicklung von VW „ein Leuchtturm, aber kein Geschäftsmodell“ (VW-Markenvorstand U. Hackenberg) der VW XL 1 vorgestellt als „Technik für die nächsten 125 Jahre Automobil“. Dieser Wagen fährt die ersten 35 km elektrisch und dann mit einem Dieselmotor (TDI). Bei unabhängigen Testfahrten wurde ein Verbrauch von 1,82 l Diesel/100 km gemessen. Um eine Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h zu erreichen, bedarf es einer besonders windschlüpfrigen und leichten Karosserie aus Carbon auf einem Alurahmen. Dennoch ist dieser VW mit 380 kg als Kleinwagen schwer, vor allem durch die Batterien. 2014 wurden 200 in Kleinserie gefertigte XL 1-Wagen für einen Stückpreis von 111.000 € angeboten. Ein selbst für Liebhaber stolzer Preis. Der „Flaggschiff“ von VW, der Phaeton mit 88.650 bis 107.650 € und auch der Porsche 911 mit 90.000 € liegen im Preis darunter. Eine weitere Fertigung gibt es nicht, ist eben „kein Geschäftsmodell“ von VW. Man wollte nur mal zeigen, wozu der Konzern fähig ist, nämlich Weltspitze anzubieten. Alle Autokonzerne haben bisher nur Prototypen, Studien und Kleinserien zu Stande gebracht. Nur der Smart ist in größerer Stückzahl, über 1 Mio., hergestellt worden.
Warum wurde mit diesem und auch Entwicklungen anderer Konzerne das Ziel des schadstofffreien Fahrens und der Materialreduzierung um 80 % nicht erreicht? Es lag an der falschen Aufgabenstellung. Weil sich die Konzerne von der „Rennreiselimousine“ mit ihrer konventionellen Blechkarosserie und den Geschwindigkeiten über 100 km/h nicht verabschieden konnten und trotz Leichtbau der Materialeinsatz nur gering gesenkt werden konnte. Die verwendeten Leichtbaumaterialien Aluminium und Carbonfasern sind wesentlich teurer und energieaufwendiger herzustellen als Stahl. Es sollte eben ein herkömmliches Auto bleiben, wenn auch in Bonsai-Format. Der Daimler-Konzern hat mit dem Smart Fortwo ein Auto in Großserie hergestellt, dass mit einem Verbrauch von 3,3 l/100 km Diesel und einer Ausrüstung mit ESP, ABS und Airbag den heutigen Anforderungen im Straßenverkehr entspricht. Auch der Preis mit 10.895 € ist für die einfachste Version annehmbar. Ab 2012 wird dieser Wagen auch mit Elektroantrieb geliefert. Allerdings für den doppelten Preis.
Die Umrüstung herkömmlicher Klein- und Mittelklassewagen auf Elektroantrieb brachte keine Materialeinsparungen. Die Batterien sind zu schwer und zu teuer. Ob nun von BMW oder Ford, Chevrolet, KIA, Mercedes, Nissan, VW oder Renault, alle Wagen bewegen sich im Preissegment zwischen 35.000 bis 40.000 € und sind damit teurer als die gleichen Typen mit Verbrennungsmotor. Selbst der Elektro-Smart Fortwo Brabus Cabrio ED kostet 28.900 €. Die Autos von Tesla bewegen sich im Preis je nach Typ sogar zwischen 83.000 bis 125.000 €. Alle diese Elektroautos sind für den Normalverbraucher noch zu teuer. Das liegt daran, dass die meisten Autokonzerne die Entwicklung der Batterien verschlafen haben und gegenüber Nissan aufholen wollen.
Es kann also festgestellt werden, dass die Autoindustrie weder spritsparende Kleinwagen auf den Markt gebracht hat, noch leichte und erschwingliche Elektroautos. Es wurde nur ein winziger Beitrag geleistet, um die dringenden Problem der Verringerung des Schadstoffausstoßes und der Materialeinsparung zu lösen.
Kleine Mittelstandsfirmen haben Modelle vorgestellt, die einen größeren Beitrag zur Lösung der Menschheitsprobleme brachten. Da ist z. B. das Twike-3 (Hersteller FINE-Mobile), von dem seit 2002 etwa 1.000 Fahrzeuge gebaut wurden. Für 2 Personen Platz, die auch per Pedal mit radeln können. Mit Elektroantrieb werden bis zu 85 km/h erreicht. 5 kWh/100 km werden verbraucht
(entspricht 0,5 l Benzin auf 100 km). Ein Alu-Rohrrahmen, Plexiglasscheiben und Kunststoffhülle aus Luran S sowie ein Joystick zum Lenken neben dem Fahrersitz bringen ein sehr niedriges Gewicht von 270 kg. Zusätzlich noch das Batteriegewicht bei 120 bis 240 km Reichweite mit 57 kg. Mit dieser Ausrüstung mit Batterien kostet das Gefährt etwa 31.000 €. Es können auch 500 km Reichweite erreicht werden, wenn man Batterien mit 133 kg Gewicht einbauen lässt. Dieses Fahrzeug hat den Nachteil, dass alte Leute Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen haben und wenig Last mitgeführt werden kann. Für ältere Menschen, aber auch für Sportler sind aufgerüstete 3-Räder (Trikes) mit Elektroantrieb geeignet. Sie werden von vielen kleinen Firmen im In- und Ausland angeboten. Die kann man schon für weniger als 5.000 € erwerben. Sie haben den Vorteil, dass sie sicherer in der Spur zu fahren sind und beim Anfahren, bei Steigungen und bei Gegenwind durch die elektrische Unterstützung besser vorwärts kommen. Die Batterien lassen eine Reichweite von 30 bis 60 km zu. Elektro-Dreiräder mit Pedalantrieb fahren bis zu 15 km/h schnell, bis 6 km/h auch ohne zu treten. Mit einem niedrigen Gewicht von 20 bis 45 kg können neben 100 kg Fahrergewicht noch 20 kg zugeladen werden. Das reicht für den Einkauf im Supermarkt. Nachteilig ist, dass kein Wetterschutz vorhanden ist und auf dem Gehweg viel Platz gebraucht wird. Diese Fahrzeuge sind als Lastenräder auch für den Transport von mehreren Kindern geeignet.
Ein Ersatz der herkömmlichen Autos, die sowohl elektrisch fahren als auch ein Gewicht von etwa 200 kg aufweisen (20 % der über 1.000 kg schweren herkömmlichen Autos) können diese Fahrradkonstruktionen nicht sein. Die Anforderungen moderner individueller Mobilität können damit nicht erfüllt werden. Welche Anforderungen wären das? Zuerst einmal muss man sich von dem Anspruch einer „Rennreiselimousine“ verabschieden. Heute kann von einem Auto mit mehr Nachhaltigkeit nicht verlangt werden, dass es sowohl für die Alltagsfahrten mit hohen Geschwindigkeiten als auch für Reisen und den Urlaub der gesamten Familie sowie für den Transport von Lasten gleichermaßen geeignet ist. Für längere Reisen oder Urlaubsfahrten muss man sich dann einen Van oder einen Caravan ausleihen. Ein Auto für den Alltagsgebrauch muss weder in der Stadt noch auf dem Land schneller als 50 km/h fahren. Diese Beschränkung gilt für fast alle Straßen im Weichbild der Städte und Dörfer. Die Entfernung, die mit einer Batterieladung überwunden werden sollte, kann mit 150 km vorgegeben werden. Je nach Kundenwunsch kann die Batterieausrüstung zwischen 80 und 500 km Reichweite schwanken. Diese Forderung wird schon heute von einigen Firmen für Trikes realisiert. Mit dieser Reichweite können die Arbeitsstelle, der Supermarkt, der Arzt, der Kindergarten, die Schule, der Friseur, die Ämter usw. erreicht werden. Nur weit entfernte, nur über die Autobahn erreichbare Arbeitsplätze kann man mit einem solchen Mobil nicht schnell und sicher genug erreichen. Ein solches Mobil sollte für 2 Erwachsene Platz bieten und einen Kindersitz bzw. Kinderwagen mitführen können. Drehbare hintereinanderliegende Sitze mit hochklappbaren Armlehnen wären für Rentner günstig, damit man auf beiden Seiten des Mobils ein- und aussteigen kann. Auch muss am Fahrzeugheck wahlweise ein Einkaufswagen oder ein Kinderwagen oder eine Tierbox für Hund und Katze mitgeführt werden können. Wegen der schlechten Wegeverhältnisse auf Dörfern und Vorstädten oder bei Schneefall sollte eine Bodenfreiheit von 20 cm gewährleistet sein. Ein Allradantrieb über Nabenmotoren (250 W) wäre daher günstig, damit bei allen Straßenverhältnissen ein Fortkommen gesichert wird. Das Mobil muss eine Federung haben. Als Gewicht werden für die Konstrukteure 200 kg vorgegeben. Der Preis sollte 5.000 € nicht übersteigen.
Da die Automobilkonzerne gegenwärtig und auch in naher Zukunft derartige Mobile nicht herstellen werden, weil ihnen die damit erzielbaren Gewinne zu gering sind, könnte die Fertigung durch bekannte Hersteller von 3- und 4-Radfahrrädern übernommen werden. Diese haben aber laut Anfrage kein Interesse, ihr Typenangebot zu erweitern. Deshalb bleibt nur der Weg, sich mit Technikhochschulen in Verbindung zu setzen und durch Studenten solche Mobile entwickeln zu lassen, wobei zahlreiche Baugruppen bereits vorhanden sind: elektrischer Antrieb über Nabenmotoren, drehbare Sitze, Lenkung über Joystick, Batterieanlage, elektrische und elektronische Ausrüstung. Das Fahrgestell sollte weiterhin eine Stahlkonstruktion sein, um Kosten und Herstellungsenergie zu sparen. Mit dieser Aufgabenstellung sollte ein Muster für ein grünes linkes individuelles Straßen-Mobil als Lösungsvorschlag der Partei DIE LINKE hergestellt und medial für uns vermarktet werden. So, wie es Greenpeace 1995 mit dem 3-l- Auto SmILE gemacht hatte, das allerdings mit 650 kg Gewicht noch viel zu schwer war.“