Sozialökologischer Umbau: Grundlagen, Teil 2 a): Das kreditbasierte Finanzierungskonzept von Rainer Land

Vorbemerkung: Konzepte zur kreditgestützten Finanzierung der Energiewende existieren derzeit innerhalb des deutschen Parteienspektrums noch nicht. Der Wirtschaftswissenschaftler Rainer Land vom Thünen-Institut für Regionalentwicklung in Bollewick (Mecklenburg-Vorpommern) publizierte im Oktober 2016 seine überaus informativen „fünf Thesen für ein ökonomisches Konzept des Green New Deal“. Anbei die letzte These. Es macht Sinn, darüber hinaus das Gesamtwerk zur Kenntnis zu nehmen: http://www.rla-texte.de/wp-content/uploads/2016/10/2016-10-27-Thesen-%C3%96konomie-Green-New-Deal.pdf

„Finanzierung von Innovationen und Investitionen durch Kredite und Geldschöpfung

Die Kosten des Green New Deal dürften in der EU zwischen 300 und 500 Mrd. € jährlich anzusetzen sein (1). Global ist von mindestens 2.000 Mrd. USD jährlich auszugehen. Die Annahme, die Investitionen müssten durch Einsparungen im Staatshaushalt oder bei den Bürgern, durch höhere Steuern und Abgaben, durch Gürtel enger schnallen finanziert werden, ist falsch. Sie müssen durch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Wirtschaftssystems zusätzlich erzeugt werden: zunächst durch eine höhere Auslastung der vorhandenen Industrie und später durch den Ausbau der entsprechenden Branchen, Strukturveränderungen im Wirtschaftssystem also (2). Die Frage ist also nicht, woher man das Geld nimmt, sondern wie ein Finanzierungssystem aussehen müsste, das zusätzliche Leistungen in der erforderlichen Größenordnung mobilisiert.

Nach Schumpeter kommt es zu wirtschaftlicher Entwicklung (Leistungszuwachs), wenn Ressourcen neuen Verwendungen zugeführt werden und dadurch neue Produktionsfunktionen in das Wirtschaftssystem kommen, gegebenenfalls alte verschwinden. Dies ist der Sinn von Kreditvergabe.

„Kapitalismus ist jene Form privater Eigentumswirtschaft, in der Innovationen mittels  geliehenen Geldes durchgeführt werden, was im allgemeinen … Kreditschöpfung voraussetzt.“ (Schumpeter 1961: 234)

Der grundlegende Mechanismus eines Entwicklungsschubs nach Schumpeter besteht in folgendem Zusammenhang: Durch die Vergabe von Krediten für realwirtschaftliche Innovationen und Investitionen erhöht sich zunächst die zahlungsfähige Nachfrage nach bestimmten Investitionsgütern und Arbeitskräften (3).

Dies hat Folgen: Erstens steigen die Preise für diese Güter, allerdings nur geringfügig, denn zweitens wird auch das Angebot steigen, und zwar zunächst durch höhere Auslastung der betreffenden Produktionskapazitäten (4). Auch werden zusätzliche Arbeitskräfte aus der Reserve aktiviert. Hält die hohe Nachfrage an oder steigt sie weiter, kommt es drittens zum Aufbau neuer Kapazitäten in den betreffenden Branchen.

Bei anhaltend steigender Nachfrage nach Arbeit sollte auch die Lohnhöhe steigen, der volkswirtschaftlich umlaufende Lohnfonds erhöht sich wegen der zusätzlich eingestellten Arbeitskräfte und wegen der steigenden Löhne, wodurch sich auch die Nachfrage nach Konsumgütern erhöht, was Folgewirkungen für die Konsumgüterproduktion und für andere Branchen der Investitionsproduktion hat. Sofern der kreditfinanzierte Nachfrageschub anhält, breiten sich die Wirkungen in der gesamten Volkswirtschaft aus (sekundäre Welle).

Dieser Vorgang kehrt sich um, wenn nach einiger Zeit (Monate, Jahre, Jahrzehnte) die mit den Krediten aufgebauten Kapazitäten produzierend wirksam werden. Auf die Märkte gelangen dann zusätzliche Güter, das Angebot steigt, während die Kreditnehmer beginnen, aus den Erlösen die Kredite zu tilgen. Sofern nicht gleichzeitig vermehrt andere Kredite aufgenommen werden, sinkt dadurch die nachfragerelevante Geldmenge. Wenn also der mit dem kreditfinanzierten Kapazitätsaufbau verbundene Boom an Grenzen stößt und sich die Kreditaufnahme verringert, kehrt sich die volkswirtschaftliche Konstellation um: die Nachfrage stagniert und das Angebot steigt. In dieser Situation mit leicht sinkenden Preisen und zurückgehenden Einnahmen bekommen zuerst jene Branchen Schwierigkeiten, deren Produkte durch die neu entstandenen Kapazitäten überflüssig geworden sind oder die relativ zu den neuen Produkten und Verfahren eine geringere Produktivität haben. Sie bauen ab oder verschwinden (schöpferische Zerstörung). In der Rezession kommt es zu chaotischen Preisbewegungen (Unternehmen in Schwierigkeiten verkaufen unter den Produktionskosten, erfolgreiche Unternehmen verkaufen über den Kosten und machen Extragewinne), wegen der Unsicherheit sinkt die Bereitschaft von Unternehmern, Innovationen umzusetzen, und die der Banken, dafür Kredite auszureichen.

Die so einsetzende Rezession kann, muss aber nicht zu einer Depression führen. Dies ist nur dann der Fall, wenn es zu einer weiteren und überschießenden Kontraktion der Nachfrage durch übermäßiges Sparen bzw. übermäßige Schuldentilgung kommt, nach Koo (2013) zu einer sogenannten Bilanzrezession. Im günstigen Fall werden in der Rezession überflüssig gewordene Kapazitäten abgebaut, die neuen Proportionen des durch Innovationen und Investitionen veränderten temporären „Gleichgewichts“ gesucht und tendenziell eingestellt, die veränderten relativen Preise stabilisieren sich wieder. Mit dem Ende der Rezession kehrt die Bereitschaft der Unternehmen und der Banken zurück, durch Kredite finanzierte Innovationen zu wagen und der nächste Innovationsschub wird möglich.

Geldschöpfungsfinanzierte Kredite sind kein Teufelszeug, sondern das Geheimnis der auf Innovationen gegründeten Dynamik wirtschaftlicher Entwicklung in einer Kapitalverwertungswirtschaft. Das Modell zeigt grundsätzlich, wie ein zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebenes System aus sich heraus einen neuen Entwicklungspfad generiert. Kapitalismus ist ein System, bei dem die Innovationen und Investitionen von heute durch die Erträge von morgen finanziert werden. Dies ist aber keine Zauberei, denn realwirtschaftlich wird dies durch eine Erhöhung der Kapazitätsauslastung im gegebenen System herbeigeführt. Dieser Evolutionsmechanismus kann allerdings durch Rent-Seeking und spekulative „Investitionen“ konterkariert werden, so im Finanzmarktkapitalismus seit den 1980er Jahren.

Grundsätzlich ist Schumpeters Modell wirtschaftlicher Entwicklung auch geeignet, einen möglichen Pfadwechsel hin zum Aufbau einer industriellen Ökologie zu verstehen.

Für die Energiewende hat das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES ein wirtschaftliches Umsetzungskonzept (beschränkt auf Deutschland) vorgelegt, das zumindest in  einigen Punkten Modellcharakter für den Ökologischen Umbau insgesamt haben könnte. Es sieht vor, die Umstellung auf 100 % Erneuerbare Energien bis 2050 durch ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm zu gestalten, dessen Zinsen und Tilgungen durch die wirtschaftlichen Effekte der Umstellung refinanziert würden. Nach etwa 20 Jahren würde der Investitionsbedarf bereits durch die Rückflüsse finanziert und die Tilgung der Kredite beginnen, und nach 40 Jahren wären das Programm abgeschlossen und die Kredite getilgt.

grafik-iwes-studie

Abbildung: Kosten und Erlösbetrachtung nach der Studie des IWES

(Um weitere Details zu erfahren, bitte diesen Link öffnen:                                                                       http://www.energiedialog.nrw.de/fraunhofer-studie-finanzierungsstrategie-fuer-die-energiewende/ )

In dem Modell geht es um einen streng definierten und institutionell gesicherten Zusammenhang zwischen der heute zusätzlich erzeugten Nachfrage und den künftigen Einspareffekten bzw. Erträgen, der durch Kreditaufnahme und Kredittilgung rechtlich gesichert hergestellt wird und der praktisch funktioniert, weil die aufgenommenen Kredite durch die Erlöse der neu entstehenden Energiewirtschaft zu tilgen sind. Die Erlöse entsprechen der Größe der eingesparten Brennstoffkosten.

„Zusammengefasst besteht der ‚Clou‘ bei der Finanzierung der Energiewende darin, den objektiven Effekt der zukünftigen Ersparnisse an den operativen (Brennstoff-)Kosten durch Finanzierungsmechanismen nach vorne zu ziehen. Für den Energieverbraucher können die Preissteigerungen minimiert und langfristig reduziert weden. Wenn also bei aktuell diskutierten Varianten der Transformation der Energieversorgung eine signifikante Kostenerhöhung postuliert wird, hat man ‚handwerklich‘ etwas verkehrt gemacht. An diesem Anspruch müssen sich verschiedene vorgeschlagene Transformationsvarianten messen lassen.“ (Gerhardt u.a. 2014: 18) Leider hat dieses Modell politisch nicht viel Einfluss gewonnen, die Idee einer weitreichenden Kreditfinanzierung der gesamten Energiewende wird von keiner Bundestagspartei verfolgt (5).

Dieses Modell ist grundlegend geeignet, die wirtschaftlichen Prozesse zu verstehen, die mit der „Großen Transformation“, mit dem ökologischen Umbau, verbunden sein könnten. Dazu muss man das am Fraunhofer-Institut angedachte Modell zur Finanzierung der deutschen Energiewende in zwei Dimensionen erweitern. Erstens geht es nicht nur um die Energiewende, sondern um den Klimawandel und in einem zweiten zukünftigen Schritt um die Reorganisation der Stoffströme zwischen Natur und Gesellschaft, also den ökologischen Umbau insgesamt. Und zweitens geht es nicht nur um Deutschland, sondern zunächst um ein gesamteuropäisches und darüber hinaus um ein globales Programm.

Überschussrecycling als Grundlage der Finanzierung des ökologischen Umbaus

Die Finanzierung des ökologischen Umbaus durch ein an Schumpeter orientiertes Modell wirtschaftlicher Entwicklung könnte die säkulare Stagnation beenden, in der sich die Weltwirtschaft und die EU seit der großen Rezession 2007-2009 befinden. Mit ökologischen Investitionen in realwirtschaftliche Entwicklung wäre es möglich, die globalen Überschüsse und die unausgelasteten Kapazitäten, die sich in Arbeitslosigkeit und geringen Einkommenssteigerungen ausdrücken, für eine nachhaltige und für die künftigen Generationen sinnvolle Entwicklung zu mobilisieren, ohne dass die Defizitländer eine fortschreitende Deindustrialisierung hinzunehmen hätten und in immer größere wirtschaftliche Abhängigkeit durch Verschuldung geraten.

Die derzeitigen Handelsbilanzüberschüsse (2015) betragen für China 593 Mrd. USD, für Deutschland 276, Russland 146, Südkorea 90, Niederlande 61, insgesamt ca. 1700 Mrd. USD. Gleich hoch sind die Handelsbilanzdefizite, wobei die USA mit -803 Mrd. USD, gefolgt von Großbritannien -165, Indien -124, Frankreich -66 Mrd. USD und weiteren Ländern.

Die Ungleichgewichte in der Handelsbilanz sind auch innerhalb der EU ein Problem, sie sind der Grund für die Eurokrise, für die dramatische Deindustrialisierung in einigen Ländern (Großbritannien, Frankreich, Italien), für hohe Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und für die Verschuldung der Defizitländer. Die Überschüsse in der EU betragen insgesamt 459 Mrd. Euro, davon 251 Deutschland, 55 Niederlande. Die Defizite betragen 301 Mrd. Euro, davon Großbritannien 149, Frankreich 60, Spanien 24, Griechenland 17. Die Eurozone hat seit 2012 insgesamt einen Handelsbilanzüberschuss.

Die mit diesen Ungleichgewichten verbundenen Folgen sind eine stagnierende realwirtschaftliche Entwicklung in den Defizitländern bei steigender Verschuldung und hoher Arbeitslosigkeit, in den Überschussländern hingegen eine Ausrichtung der Exportproduktion an den schuldenfinanzierten Konsumbedarf der Defizitländer bei Aufhäufung von Wertpapierbeständen, die in Summe uneinlösbar sind. Dieses System des Überschussrecyclings (von Varoufakis 2012 „Globaler Minotaurus“ genannt) ist derzeit das eigentliche Hindernis für nachhaltige zukunftsträchtige Investitionen. Statt in den ökologischen Umbau und den Aufbau einer sinnvollen Wirtschaftsstruktur wird entweder in kreditfinanzierten Konsum oder in eine merkantilistische Exportwirtschaft investiert.

Verstehen muss man zunächst, dass die Defizite nur zusammen mit den Überschüssen abgebaut werden können, da diese systematisch zusammenhängen. Wenn dies nicht durch eine Abwärtsspirale mit negativen sozialen, ökologischen und politischen Folgen geschehen soll, ist der einzige Weg, die Überschüsse in sinnvolle realwirtschaftliche Investitionen zu lenken, und zwar solche, die zum Aufbau bzw. Wiederaufbau wirtschaftlicher Potenziale in den Defizitländern führen.

Darauf läuft der Vorschlag der Autoren des „Bescheidenen Vorschlags zur Lösung der Eurokrise“ hinaus. Sie hatten allerdings kein ökologisches Investitionsprogramm im Sinn, ihnen ging es um realwirtschaftliche Investitionen überhaupt in den Defizitländern. Der Vorschlag lässt sich aber so modifizieren, dass das Überschussrecycling als Finanzierungssystem für einen ökologischen Umbau (nicht ausschließlich, aber überwiegend) verwendet werden kann, und zwar ohne den regionalen Schwerpunkt auf Defizitregionen aufzugeben. Mit den Überschüssen (genauer gesagt mit den hinter diesen Überschüssen stehenden realwirtschaftlichen Kapazitäten) ließe sich ein Investitionsvolumen von zunächst bis zu 500 Mrd. Euro pro Jahr stemmen; dieses Volumen könnte weiter steigen, wenn es zum Aufbau zusätzlicher Kapazitäten käme.

Ein denkbares Modell für die EU wäre:

1.: Die Europäische Investitionsbank legt ein Kreditprogramm für den ökologischen Umbau auf, das laufend weiterentwickelt wird: ein Kreditprogram für Umwelt-Innovationen und -Investitionen (im Weiteren KUI- Programm genannt). Im Zentrum könnten zunächst der Umbau der Energiesysteme, die Reduzierung der CO2- Emissionen, die Erneuerbare Energien und der Klimawandel stehen, Wärmesysteme und umweltkompatible Mobilität eingeschlossen. In einer zweiten Welle könnten die Programme erweitert und differenziert werden, dabei würden weitere Themen eine Rolle spielen: Wasser, Landwirtschaft, Stoffströme, umweltkompatible Produkte, umweltkompatibler Konsum und Ökologische Stadtgestaltung. Das Programm könnte mit einem Volumen von ca. 100 Mrd. jährlich starten und binnen 5 Jahren auf 400 bis 500 Mrd. jährlich ausgeweitet werden. Die Kredite würden für entsprechende Innovations- und Investitionsvorhaben über Förderbanken und private Banken an Unternehmen, Kommunen, Länder und die öffentliche Hand ausgereicht.

Die spätere Kredittilgung setzt Einnahmen voraus, die aus den Effekten der Projekte stammen müssen. Aus der Entwicklung neuer Produkte und Verfahren sowie der dazugehörigen Investitionsgüter resultieren Einnahmen, wenn diese handelbar sind. Dies wird für einen großen Teil der umweltkompatiblen Konsum-und Investitionsgüter und für die entsprechenden Verfahren gelten, da diese alte nicht nachhaltige bzw. nicht umweltkompatible Produkte und Verfahren ablösen. Da alte nicht nachhaltige Produkte und Verfahren mit zunehmenden Kosten für Nutzungsrechte aus der Beanspruchung von Naturressourcen rechnen müssen, führt die Umstellung auf umweltkompatible Produkte und Verfahren zu Kostenreduzierungen und wird wirtschaftlich rentabel. Sofern es um Umweltkompatibilität im Bereich von Infrastruktur und öffentlichen Gütern geht, die nicht aus Verkaufserlösen, sondern aus Steuern oder Abgaben finanziert werden, rechnet sich die Umstellung auf umweltkompatible Produkte und Verfahren ebenfalls. Der Kredittilgung entsprechen dann die vermiedenen laufenden Kosten für Nutzungsrechte, die anfallen würden, wenn nicht auf umweltkompatible Produkte und Verfahren umgestellt würde.

2.: Die Kreditvergabe erfolgt zunächst über Geldschöpfung, die nachlaufend durch fest verzinste Anleihen der Investitionsbank refinanziert werden. Mittelfristig soll das Volumen der Wertpapieremissionen dem der Kreditvergabe entsprechen, so dass nur in der Anlaufphase eine zusätzliche Geldschöpfung erfolgt. Im Zusammenwirken von Europäischer Investitionsbank (EIB) und Europäischer Zentralbank (EZB) könnte sichergestellt werden, dass sich die Geldschöpfung im Rahmen des angestrebten Zuwachses des nominalen Bruttoinlandsprodukts und der Zielinflationsrate bewegt (6). Zudem würde eine Anlagemöglichkeit u.a. für Fonds, Renten und Versicherungen geschaffen, die durch künftige wirtschaftliche Erträge abgesichert ist, ohne exorbitante Renditen und hohe Risiken. Die

Verbindung eines Kreditprogrammes mit einem Programm der Emission von Anlagen ist sehr wichtig für die Funktionsweise dieser Finanzierungsmöglichkeit. Dabei gehe ich davon aus, dass das Volumen anlagesuchenden Kapitals etwa der Größenordnung der Handelsbilanzüberschüsse entspricht.

Das hier dargestellte Beispiel bezieht sich auf die Europäische Investitionsbank, angedacht war ein Kredit- und Anlageprogramm in der Größenordnung von 400 bis 500 Mrd. €  jährlich, das nach ca. 5 Jahren erreicht werden sollte. Ähnliche Konstruktionen sind natürlich auch für Nordamerika, Südostasien, Indien, den Nahen Osten und Lateinamerika denkbar. Eine weitere Möglichkeit wäre auch das Überschussrecycling durch Kredit- und Anlageprogramme der Weltbank. Das Gesamtvolumen beträgt mindestens 1.500 Mrd. US $, wobei dies nach Anlauf auch deutlich größer werden könnte – und wahrscheinlich auch werden müsste, wenn man an den Investitionsbedarf in China, Indien, Lateinamerika und Afrika denkt. Global gesehen wären die chinesischen Überschüsse die wichtigste Quelle für die Finanzierung dieses ökologischen Umbaus.

Neben ordnungs- und umweltrechtlichen Veränderungen sind die Bewirtschaftung ökologischer Ressourcen und das Kreditprogramm für Umwelt Innovationen und Investitionen entscheidende Voraussetzungen und die eigentlichen wirtschaftlichen Instrumente, die eine neue Selektionsrichtung auf Umweltkompatibilität für Innovationen und Investitionen regulieren. Sie wirken über Märkte, unter anderem über Märkte für Umweltnutzungsrechte und für Kredite, Märkte für Umweltressourcen und -innovationen. Aber wie meist ist die Frage Markt oder Staat auch hier falsch und unsinnig. Denn diese in Märkte eingebundene Regulierung hat mehrere Voraussetzungen, darunter entscheidende staatliche: Erstens ist ein staatlich gesetzter Rechtsrahmen erforderlich, der in einem politischen Prozess geschaffen werden muss. Zweitens sind die Öko- Verwertungsgesellschaften öffentlich-rechtlich zu gestalten. Drittens hat der Umweltbereich einen hohen Anteil öffentlicher Güter. Viertens sind Geldschöpfung und Kreditvergabe staatlich zu regeln und zu kontrollieren. Es kann also keine Rede davon sein, dass die Gestaltung des Reduzierungspfades und die Verwertung ökologischer Ressourcen „dem Markt“ oder „dem Kapital“ überantwortet würde.

Die Entscheidung für eine weitreichende Bewirtschaftung ökologischer Ressourcen und ein Kredit- und Anlageprogramm für Umwelt-Innovationen und Investitionen muss politisch getroffen werden. Trotz einiger Fortschritte (2016: Pariser Klimaabkommen und Montreal-Protokoll von Kigali) sind Mehrheiten dafür weltweit nicht abzusehen. Für Europa wäre ein Programm des ökologischen Umbaus der Ausweg aus der säkularen Stagnation und der Eurokrise. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch in der Wirtschaft dafür Unterstützung gewinnen lässt. Auch bei Problemen, die nur global zu lösen sind, müssen nationale und regionale Lösungen gefunden werden, müssen einzelne Länder oder Staatengemeinschaften die Vorreiter werden. Das Argument, dass damit Wettbewerbsnachteile eingekauft würden, ist falsch. Zumindest mittelfristig wird die wirtschaftliche Entwicklung durch Bewirtschaftung ökologischer Ressourcen gestützt.

Anmerkungen:

(1): Einfügung von H. Schulze: Bei überschlägiger Gegenwartsrechnung komme ich für 100 % EE bis 2040 in Deutschland auf einen Investitionsaufwand von insgesamt ca. 1.075 Mrd. Euro für Photovoltaik und WEA (entsprechend der Sektorkopplungsstudie der HTW Berlin vom Juni 2016; die Zeitraumverkürzung auf 2040 resultiert aus dem Beschluss der COP21, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2°C zu begrenzen: 717 GW Kapazität zum Gegenwartspreis von ca. 1.500 €/kW = 1.075 Mrd. € = 44,8 Mrd. € pro Jahr), plus Investitionen in Speicher und Stromtrassen. Allerdings sinken die Investitionskosten für PV und WEA derzeit stark. – Bezogen auf die EU inkl. GB mit über 500 Millionen Einwohnern beträgt demnach alleine schon der Investitionsaufwand für Erneuerbare Energien mehr als 300 Mrd. € pro Jahr.

(2 – ab hier: Anmerkungen von Rainer Land): Dies ist mit Einsparungen im Ressourcenverbrauch verbunden, aber zeitlich nachlaufend, relevant werden sie etwa ab dem 10. Jahr. Dann stehen den Kosten auch Erlöse gegenüber.

(3) Sofern die Kreditemission nicht durch gleich hohe Demission durch Kredittilgung oder Abschreibung konterkariert wird.

(4) Erst wenn die Kapazitäten nahezu vollständig ausgelastet oder überlastet wären und die zahlungsfähige Nachfrage noch weiter steigt, ohne dass zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden konnten (z.B. weil bei Vollbeschäftigung keine freien Arbeitskräfte mehr verfügbar sind), würde es zu größeren Preissteigerungen kommen. Vergrößerung der zahlungsfähigen Nachfrage im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten bzw. im Rahmen des möglichen Ausbaus derselben führt nicht zu Inflation. Empirisch überzeugend hat Flassbeck nachgewiesen, dass die Inflationsraten einer Volkswirtschaft sehr exakt durch die Differenz von Produktivitäts- und Lohnentwicklung erklärt werden können.

(5) Ilse Eigner und die Linkspartei haben allerdings Konzepte zu einer teilweisen Finanzierung der EEG-Umlage durch Kredite entwickelt und vorgelegt.

(6) Dieser Punkt bedarf weiterer detaillierter Ausführungen, die den Rahmen dieses Textes überschreiten würden. Nur so viel: Eine Koordinierung von Kreditvergabe und der Geldschöpfung hat zwei weitergehende Voraussetzungen:                                                                                                                                                                           Erstens muss die Kreditvergabe für spekulative Kredite weitgehend abgestellt werden, weil sie die Orientierung auf einen nachhaltigen realwirtschaftlichen Entwicklungspfad verzerrt und zu Fehlallokationen und Fehlentwicklungen verleitet. Das erfordert eine entsprechende Regulierung der Finanzmärkte und der Geldschöpfung.                          Zweitens, die Geldschöpfung muss an der Einkommensentwicklung (vor allem der Löhne und Transfereinkommen), an der Entwicklung der Arbeitsproduktivität orientiert werden (Flassbecks Lohnregel). Hinzu kommt die Ausweitung der umlaufenden Geldmenge für den entstehenden Ökokapitalkreislauf, die den Preisen und Volumina für Umwelt-Nutzungsrechte entsprechen muss. In diesem Rahmen kann Geldschöpfung nur einen kleinen Teil des erforderlichen Kreditbedarfs decken, kann aber den ersten Nachfrageschub auslösen, der die Kapazitätsauslastung der Wirtschaft deutlich erhöhen und die Verwendung der dadurch mobilisierten Ressourcen für den neuen Entwicklungspfad einleiten soll.                                                                                                                                                     Die Refinanzierung des größeren Anteils des KUI-Programms ist nötig, um das Überschuss-Recycling in eine neue Richtung zu lenken. Bisher werden die oben genannten Handelsbilanzüberschüsse (in der EU knapp 500 Mrd. € jährlich) für Exporte in die Defizitländer verwendet, zum größten Teil für Konsum – mit negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der Binnenwirtschaft in Defizit- und Überschussländern. Die Verwandlung der Exportüberschüsse in Finanzeinnahmen geschieht über Verschuldung oder Geldvermögensveräußerung der Konsumenten und der Staaten der Defizitländer. Mit den Anleihen der Investitionsbank zur Refinanzierung des KUI-Programms wird eine alternative Anlagequelle geschaffen, die Überschüsse für einen sinnvollen realwirtschaftlichen Investitionsprozess, in das KUI-Programm lenkt. Damit wird zwar zunächst nur eine Form der Verschuldung durch eine andere ersetzt, entscheidend aber ist, dass es hier um langfristig angelegte realwirtschaftliche Investitionen geht, nicht um einen schuldenfinanzierten Konsum-Boom. (Vgl. Hein, Land).“