Liebe Plöner Ratsversammlung,
zunächst herzlichen Dank für den Einsatz, mit dem Sie, Herr Buth, Ihre Website mit Informationen über Plöns Kommunalpolitik füttern! Auf diese Weise wurde uns Plöner*innen der Beschluss vom 25.9.2019 bekannt, durch den sich die Ratsversammlung zum Klimaschutz bekannte. Das loben wir. Weil sie jedoch den Klimanotstand verneinte, wurde der Beschluss zum zahnlosen Tiger: . .
“Die Ratsversammlung der Stadt Plön teilt die Einschätzung, dass der Welt eine Klimakatastrophe droht, wenn nicht schnell und entschlossen Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele (UN, Pariser Klimaschutzabkommen, Weltklimarat) unternommen werden. Wir werden im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Klimaschutz beitragen. Bei allen neuen Beschlüssen der Selbstverwaltung und Maßnahmen der Verwaltung sollen Aspekte der Klimaverträglichkeit mit betrachtet und abgewogen werden. Außerdem soll im Dialog mit den Einwohner*innen, aber auch den Gästen unserer Stadt umweltbewusstes Handeln verstärkt werden.” .
Zur Vorgeschichte: Am 2. Mai 2019 hatte Konstanz nach Basel, Vancouver und dem britischen Unterhaus als erste deutsche Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Sechs Wochen später schlug Frau Pracht (CDU), bürgerliches Mitglied im Umweltausschuss, dasselbe für Plön vor. Ihre Resolution drang leider schon in ihrer eigenen Partei nicht durch. Nachdem kolportiert wurde, sie hätte ihren Antrag zurückgezogen, brachte ich im Namen unsres Vereins eine eigene Resolution mit einer Reihe detaillierter Forderungen in Umlauf. Plöns Agenda-2030-Initiative und die Linksfraktion übernahmen sie mit kleinen Änderungen. Inzwischen hatten rund siebzig deutsche Städte den Klimanotstand erklärt, darunter Kiel, Lübeck, Neumünster und Bad Segeberg.
Sie, Herr Buth, schrieben auf Ihrer Website: „Dieser Beschluß (vom 25.9.2019) war eine schwere Geburt. Es ist klar, und das habe ich in meinem Redebeitrag hervorgehoben, daß niemand in der Plöner Ratsversammlung den Klimawandel und den Anteil, den der Mensch daran hat, ernsthaft in Frage stellt.“
Weil dem Beschluss die Ausrufung des Klimanotstands fehlt, wirkt er wie ein Placebo:
„Auch nach meiner persönlichen Meinung ist die Ausrufung des Klimanotstandes ein symbolpolitischer Akt, FFF, form-, frist- und fruchtlos“ (Ingo Buth).
Ein einziges Ratsmitglied, Stefan Kruppa (CDU), stellte sich dem entgegen: „Die Ausrufung des Klimanotstands wäre ein starkes Zeichen. Je mehr Druck von unten, je mehr den Klimanotstand ausrufen, desto eher bewegen wir etwas.“ Daher werde er dem „weichgespülten, nicht zielführenden und nicht zukunftsträchtigen“ Antrag nicht zustimmen.
Was kritisieren wir am Beschluss der Ratsversammlung?
Erstens: Ohne Ausrufung des Klimanotstands bleibt der Beschluss unverbindlich: „im Rahmen unsrer Möglichkeiten“; „es soll“ bzw. „es sollen …“. Soll die Feuerwehr ausrücken, wenn es brennt? Nein, sie muss es tun! Unverzüglich!
Zweitens: Wir teilen die Einschätzung nicht, dass eine Klimakatastrophe droht. Sie ist längst eingetreten, wie jetzt der dritte Dürresommer in Folge zeigte: Vernichtung ganzer Fichtenwälder durch Hitze und Borkenkäfer, verheerende Waldbrände (Australien, Jakutien, Kalifornien), Wirbelstürme und Überschwemmungen, fortschreitende Wüstenbildung in Brandenburg, ein ausgetrockneter Nebenfluss der Elbe, Ernteausfälle, Artensterben, keine Trinkwasserversorgung in einigen deutschen Gemeinden, Vordringen tropischer Krankheiten (Malaria, Denguefieber), beschleunigter Meeresspiegelanstieg. Last but not least: Verluste an Menschenleben und volkswirtschaftlichem Vermögen.
Drittens: Der international geläufige Begriff „Climate Emergency“ bezeichnet – oberflächlich übersetzt – einen Einzelfall. Genauer: einen Notfall, der vorliegt, wenn es z.B. vor Ort brennt. Greta Thunberg verallgemeinerte die Aussage: „The world is on fire“. Dafür steht der deutsche Begriff „Klimanotstand“.
Was kann Plön von Konstanz lernen?
Auch in Konstanz hielt die Mehrzahl der Kommunalpolitiker*innen die Klimaerhitzung lange für ein Ereignis, das sich in fernen Regionen wie z.B. Grönland abspielt und erst in einer fernen Zukunft die vermeintlich heile Welt an der Schweizer Grenze berühren könnte. Bis der Extremsommer 2018 kam. Der Bodensee hatte einen extrem niedrigen Wasserstand, überall lagen tote Fische am Ufer. Die vor sich hin werkelnden Klima-AGs der Gymnasien bekamen starken Zulauf. Daraus entstand die lokale Fridays-for-Future-Gruppe.
Die Jugendlichen agierten erstaunlich besonnen: Sie demonstrierten zwar im vierzehntägigen Rhythmus, aber nur einmal monatlich „schwänzten“ sie die Schule. Dafür flankierten sie ihren Protest mit Müllsammelaktionen, Fahrradkorsos und Polittalks. Das brachte ihnen viele Sympathien bei Eltern und in der Bevölkerung. Im Vorfeld der Kommunalwahl, die parallel zur EP-Wahl im Mai 2019 stattfand, überzeugten die FFF-Akteure sämtliche Kommunalpolitiker*innen, worauf hin die Ausrufung des Klimanotstands einstimmig erfolgte.
Der Klimanotstand ist ein politisches Signal
Zwölf Monate später, am 12.5.2020, zog der Konstanzer Oberbürgermeister Burchardt, ein ehemaliger Förster, eine Zwischenbilanz:
„Der Klimanotstand war das Signal, um das gesamtstädtische Bewusstsein für das Thema Klimaschutz zu stärken. Mit dem Projekt ‚Stadtwandel‘ wollen wir jetzt gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern Konstanz klimafreundlicher machen. Das Ziel ist die klimaneutrale Stadt.“ (Uli Burchardt)
Seit Juni 2019 wird jede Sitzungsvorlage des Gemeinderats auf ihre Klimarelevanz geprüft. Unter anderem wurden neue klimaschutzrelevante Stellen geschaffen, ein Klimabürgerrat ins Leben gerufen und eine Solarpflicht für Neubauten beschlossen. (Hier sei in Erinnerung gerufen, dass der Plöner Umweltausschuss vor zwei Jahren den von uns initiierten und von den Grünen eingebrachten Antrag auf Einführung der Solarpflicht für Neubauten mit den Stimmen aller anderen Fraktionen ablehnte.) 75 Prozent aller Wege werden in Konstanz mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt. Im Vergleich zu 2007 ging der PKW-Anteil im Binnenverkehr um 11 % zurück, während der innerstädtische Radverkehr um 10 % stieg. Ende 2019 wurde ein Klimanachtragshaushalt verabschiedet – die Mittel wurden fast verdreifacht. Geplant ist die Einführung eines Klimafonds zur Finanzierung aller künftigen Klimaschutzprojekte.
Im November 2019 konnte Konstanz stolz auf die bis dahin höchste Punktzahl bei ihrer Teilnahme am European Energy Award verweisen. Dies zeigte, dass die Mobilisierung der Bevölkerung für die Energiewende und den kommunalen Klimaschutz Früchte zu tragen begann. Nach dieser Auszeichnung öffnen sich die spezifischen Fördertöpfe. Das ist angesichts der finanzpolitischen Corona-Einschränkungen keinesfalls zu unterschätzen.
Indem sie die Existenz des Klimanotstands verneinte, leistete die Plöner Ratsversammlung unsrer Stadt einen Bärendienst.
Die Corona-Pandemie wirft auch in Konstanz die sozialökologischen Transformationsbestrebungen zurück: Der monatelange Stillstand im Gastgewerbe und im Einzelhandel führte zu erheblichen Gewerbesteuer-Mindereinnahmen, während gleichzeitig die Sozialausgaben drastisch stiegen. Folglich konnten nicht alle siebzig (!) beschlossenen Projekte begonnen werden. So muss zum Beispiel die Solaroffensive noch warten, die darauf zielt, den Anteil von Photovoltaikanlagen zu steigern, um das enorme Solarstrompotenzial im privaten Bereich zu nutzen. Umso wichtiger ist es, einen Großteil der Hilfen von Bund und Land BW gezielt für eine klimagerechte Stadtentwicklung einzusetzen.
Was folgt daraus für Plön? . .
Analoges gilt für unsre Stadt. Daher plädieren wir dafür, dass Plöns Ratsversammlung bereit ist, von Konstanz und allen weiteren Städten zu lernen, die ihre Einwohner*innen mobilisieren konnten, weil sie den Klimanotstand ausriefen. Was hindert Euch Ratsmitglieder daran, Euren Beschluss zu kassieren und die Debatte um die Zukunft unsrer Stadt ernsthafter als bisher zu führen?
September 2020. Hansjürgen Schulze (aus „Plön 2035“, Nr. 2-2020, S. 4-6)