Eutiner Ostermarsch 2023: Die post-fossile Transformation erfordert Frieden

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Ich spreche für den Verein „Sozialökologisches Bündnis Plön“. Zu erwarten wäre, dass ich Beispiele wie den Spritverbrauch von Panzern und die Auswirkungen auf die Klimaerhitzung skandalisiere. Gestattet mir Grundlegenderes: Die Ära des Erdöls geht zu Ende – alle Länder stehen am Beginn ihrer Transformation zu  post-fossilen Gesellschaften. Die Transformation kann entweder friedlich verlaufen oder durch Gewalteinsatz mittels militärischer Macht. Der erste Weg ist durch die Völkergemeinschaft vorgezeichnet – die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Der zweite Weg führt in den Abgrund: Sollte die Spezies Mensch künftige Kriege unter dem Einsatz von ABC-Waffen überleben, wird sie dennoch sicher durch die Klimaerhitzung vernichtet.

Im Juli 2010 wurde eine nicht zur Veröffentlichung vorgesehene Studie des Dezernats Zukunftsanalyse der Bundeswehr durchgestochen. Sie ist als „Peak Oil-Studie“ im Netz abrufbar. Auf fast 100 Seiten erfahren wir, dass 95 Prozent aller Industrieprodukte weltweit vom Erdöl abhängen. Damals herrschte die Weltwirtschaftskrise 2.0. Sie entstand in den USA: Am 15.Juli 2008 kostete das Barrel Erdöl 147 USD. Weil alles am Öl hängt, erzielten die Lebenshaltungskosten neue Rekorde. Millionen  kleine Eigenheimbesitzer konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen. Die Investitionsbank Lehman Brothers brach zusammen. Es entstand ein Dominoeffekt: Weltweit kollabierten Banken und mussten durch Steuergelder gerettet werden. Vor diesem Hintergrund entstand die Peak Oil-Studie. Die Wissenschaftler des Dezernats Zukunftsanalyse ermittelten in vielen Erdölregionen sinkende Förderquoten. Die Mehrzahl der Fachleute sah den Höhepunkt der weltweiten Ölförderung überschritten. Doch die Menschheit wächst und mit ihr wächst der Ölbedarf – vor allem in dynamischen Schwellenländern wie China und Indien. Was passiert, wenn das Erdölangebot die steigende Nachfrage nicht mehr bedienen kann? Zunächst klettert der Ölpreis.

Laut Peak-Oil-Studie explodieren danach die Nahrungsmittelpreise. Davon betroffen sind breite Schichten im globalen Süden und auch die Unterprivilegierten im globalen Norden. Dieser Prozess erfolgt schleichend. Noch immer werden neue Ölquellen erschlossen, z.B. in 7.000 Metern Tiefe vor Brasiliens Küste oder perspektivisch unter dem „Ewigen Eis“. Das reicht bei weitem nicht aus. Fracking verlängert die Agonie. Die Erneuerbaren spielten in dieser Studie noch keine Rolle. Daher rechnete die Peak Oil-Studie nach 15 bis 30 Jahren, frühestens ab 2025, mit Hungerrevolten, die in einzelnen Ländern ausbrechen, zu systemischen Krisen auswachsen und sich ausbreiten. Globale Lieferketten und Banken könnten zusammenbrechen und die internationalen Kräfteverhältnisse zu Lasten des Westens verschieben. Die Angst vor solchen Bedrohungen fördere weltweit autoritäre Entwicklungen. Out of Area wolle man „ausdrücklich nicht auf eine mögliche militärische Ressourcensicherung“ orientieren, behaupten die Bundeswehrforscher. Aber die weltweite Interventionsfähigkeit der Bundeswehr u.a. zum Schutz der Ölinfrastruktur solle erhalten bleiben. Und so leistet die Bundesrepublik durch Duldung der US-Basis Ramstein weiterhin logistische Unterstützung dafür, dass US-amerikanische Unternehmen sich der Ölreserven des Irak, Syriens und Libyens bedienen. Militärinterventionen auf Kosten anderer Länder tragen stets das Potenzial von Kriegen in sich.

Wenige Wochen vor dem Durchstechen der Peak Oil-Studie, am 31. Mai 2010, trat Bundespräsident Horst Köhler zurück – nach massiver Kritik an einem Interview, das er einige Tage zuvor dem Deutschlandradio auf dem Rückflug von Afghanistan gegeben hatte: Er hatte die Bundeswehr-Auslandseinsätze u.a. mit der Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen begründet. Das stand zwar im Bundeswehr-Weißbuch 2006. Die Brisanz – zumal im Zusammenhang mit dem umstrittenen Afghanistan-Einsatz – hatte Köhler grob unterschätzt: Auslandseinsätze der Bundeswehr zur Zugangssicherung von Bodenschätzen und weiteren wirtschaftlichen Ressourcen sind durch Artikel 87a GG nicht gedeckt. Die Bundeswehr agiert als Teil der NATO in einer Grauzone unserer Verfassung.

Darum setzen wir auf eine friedliche Transformation, auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. SIPRI zufolge reichen 60 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben des Jahres 2021 zur Finanzierung der zehn „teuersten“ nachhaltigen Entwicklungsziele aus. Alleine die 31 NATO-Staaten könnten dies locker finanzieren. Vor allem darum beteiligen wir Klimabewegten uns an den Aktionen der Friedensbewegung.