Zur Grundlegung der marxistischen Ökologie durch Friedrich Engels

Der heutige Marxismus ist in einem denkbar schlechten Zustand. Das liegt meines Erachtens nicht alleine daran, dass unter diesem Label eine auf Friedrich Engels‘ Alterswerk zurückführbare deterministische Sicht firmiert, die viele verleitet hat, eine in sich abgeschlossene „reine Lehre“ zu konstruieren, welche ideologisch zu bekämpfen ihren heutigen Gegnern nur geringe Mühe bereitet. Das liegt auch nicht in erster Linie daran, dass heute kein einziger Lehrstuhl an deutschen Universitäten von VertreterInnen der Marxschen Theorie besetzt ist (auch hier wären die Begründungen zu reflektieren),  sondern daran, dass der Mainstream ihrer ProtagonistInnen mental weitgehend in den 1960er und frühen 1970er Jahren steckengeblieben ist. Sozialökologische Ansätze der Marxschen Theorie sind in der deutschsprachigen Literatur Mangelware. Daher ließ ein Aufsatz eines finnischen Philosophen – Kari Väyrynen von der Universität Oulu – über Friedrich Engels‘ Jugendschrift „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ als Grundlegung marxistischer Ökologie aufhorchen. Dieser Spur ging ich nach – die Vierteljahreszeitschrift „Tarantel“  der Ökologischen Plattform veröffentlichte aus einer meiner Broschüren die folgenden Textpassagen (Nr. 66, S. 8-13):

„Dieser Beitrag plädiert für eine Reaktivierung des dialektisch-historischen Materialismus, eingedenk aller teilweise berechtigten Einwände der Umweltbewegung, die Marx und Engels den Willen zu einer Fortsetzung der kapitalistischen Naturausbeutung mit anderen Mitteln vorwirft – Kommunismus gerate ihnen wiederholt zur Metapher für eine schrankenlose Produktivkraftentwicklung: „Die Expansionskraft der Produktionsmittel sprengt die Bande, die ihr die kapitalistische Produktionsweise angelegt. Ihre Befreiung aus diesen Banden ist die einzige Vorbedingung einer ununterbrochenen, stets rascher fortschreitenden Entwicklung der Produktivkräfte und damit einer praktisch schrankenlosen Steigerung der Produktion selbst“ [2]. Also Wachstum um jeden Preis, auch durch weitere Naturzerstörung? Es gibt auch andere Textstellen, „in denen die ökologische Dimension des sozialistischen Programms berücksichtigt ist und einige interessante Pfade gewiesen werden. […] Es ist schade, dass weder Marx noch Engels diese Intuition weiter entwickelt haben, beruht sie doch auf dem Gedanken, dass die vorkapitalistischen Gemeinschaften in naturwüchsiger Harmonie mit ihrem natürlichen Umfeld lebten und dass der Sozialismus die Aufgabe hat, diese Harmonie auf neuen Grundlagen wieder herzustellen“ [3].

Mein besonderes Interesse gilt den „Umrisse(n) zu einer Kritik der Nationalökonomie“, einer „genialen Skizze“ des damals 23-jährigen Engels vom Januar 1844, die Marx wesentliche Aspekte der Politischen Ökonomie vermittelte [4]. Der finnische Philosoph Kari Väyrynen würdigte sie bereits als Grundlegung ökomarxistischer Sichtweisen [5]. Besonders an jene MitstreiterInnen für eine sozialökologische Gesellschaftstransformation, die noch immer eine kritische Distanz zu Marx und Engels wahren, wendet sich meine Broschüre: „Eine Ökologie, die den Marxismus und seine Kritik des Warenfetischismus übergeht oder verachtet, ist dazu verurteilt, nur Hilfsmittel gegen die ‚Auswüchse‘ des kapitalistischen Produktivismus zu sein“ [6].

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Die nächste ökonomische Kategorie ist der Wert. Engels‘ Wertbestimmung unterscheidet sich erheblich von derjenigen im Marx’schen „Kapital“: „Der Ökonom, der von Gegensätzen lebt, hat natürlich auch einen doppelten Wert; den abstrakten oder realen Wert und den Tauschwert“ [7]. Die Engländer – „MacCulloch und Ricardo besonders“ – hätten bei ihrer Wertbestimmung die Hauptsache nicht reflektiert: den „Handel, wobei die Hauptsache, das Konkurrenzverhältnis nicht in Anschlag kommen soll! Erst einen abstrakten Wert, jetzt auch einen abstrakten Handel, einen Handel ohne Konkurrenz, d.h h. einen Menschen ohne Körper, einen Gedanken ohne Gehirn, um Gedanken zu produzieren“ [8]. Engels zufolge ist „Der Wert […] das Verhältnis der Produktionskosten zur Brauchbarkeit. Die nächste Anwendung des Werts ist die Entscheidung darüber, ob eine Sache überhaupt produziert werden soll, d.h. ob die Brauchbarkeit die Produktionskosten aufwiegt. Dann erst kann von der Anwendung des Wertes für den Tausch die Rede sein. Die Produktionskosten zweier Dinge gleichgesetzt, wird die Brauchbarkeit das entscheidende Moment sein“ [9].

Engels sieht den Wert innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft als dialektische Einheit von Gebrauchswert und Tauschwert. Marx entwickelte seinen Wertbegriff aus der Theorie des Arbeitswerts, um innerhalb des Rahmens des kapitalistischen Systems den Ursprung des Tauschwerts zu erklären. Das übergreifende Naturverhältnis wurde folglich ausgeklammert. Dass die Gebrauchswerte wesentlicher Teil unseres Naturverhältnisses sind, wurde von Marx an anderer Stelle hinreichend gewürdigt [1 0]. Ich halte Engels‘ Darstellung aus dem Jahr 1844 für die übergreifende, weil sie die Plünderung der Natur durch das Kapital keimhaft einschloss.

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Die Entwicklung ökologischer Kategorien in den „Umrisse(n)“

Friedrich Engels attackiert den Kern der bürgerlichen Vulgärökonomie: das friedliche Nebeneinander der „Produktionsfaktoren“ Kapital, Boden und Arbeit, und lenkt den Blick auf das dialektische Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Natur: „Nach dem Ökonomen bestehen die Produktionsfaktoren einer Ware aus drei Elementen: dem Grundzins für das nötige Stück Land, um das rohe Material zu produzieren, dem Kapital mit dem Gewinn darauf und dem Lohn für die Arbeit, die zur Produktion und zur Verarbeitung erforderlich waren. Es zeigt sich aber sogleich, dass Kapital und Arbeit identisch sind, da die Ökonomen selbst gestehen, Kapital sei ‚aufgespeicherte Arbeit‘. So bleiben uns also nur zwei Seiten übrig, die natürliche, der Boden, und die menschliche, subjektive, die Arbeit, die das Kapital einschließt […]. Wir haben also zwei Elemente der Produktion, die Natur und den Menschen“ [11].

Auch Engels‘ Analyse der Grundrente ist von einem Zukunftsbild abgeleitet, in dem die Menschheit mit der Natur und mit sich selbst versöhnt ist, während sich „Das Kapital“ auf die Kritik der bürgerlichen Politischen Ökonomie fokussiert. Das Naturverhältnis tritt dahinter zurück und bleibt programmatisch. Engels definiert: „Der Grundzins ist das Verhältnis zwischen der Ertragsfähigkeit des Bodens, der natürlichen Seite (die wiederum aus der natürlichen Anlage und der menschlichen Bebauung, der zur Verbesserung angewandten Arbeit besteht) – und der menschlichen Seite, der Konkurrenz. Die Ökonomen mögen über diese ‚Definition‘ ihre Köpfe schütteln; sie werden zu ihrem Schrecken sehen, dass sie alles einschließt, was auf die Sache Bezug hat“ [12]. Einer Reflexion bedarf dabei Engels‘ Begriff der „Monopolisierung“: „Alles, was nicht monopolisiert werden kann, hat keinen Wert, sagt der Ökonom“ [13]. Das französische „monopoliser“ lässt sich u.h a. mit „an sich reißen“ übersetzen. Weil „die Ausdehnung des […] in Beschlag genommenen Bodens beschränkt ist, so bezahlt man Grundzins für den in Beschlag genommenen, das heißt monopolisierten Boden, oder erlegt einen Kaufpreis dafür“ [14]. „Der Grundbesitzer hat dem Kaufmanne nichts vorzuwerfen. Er raubt, indem er die Steigerung der Bevölkerung, welche die Konkurrenz und damit den Wert seines Grundstücks steigert, für sich ausbeutet, indem er zur Quelle seines persönlichen Vorteils macht, was nicht durch sein persönliches Tun zustande gekommen, was ihm rein zufällig ist. Er raubt, wenn er verpachtet, indem er die von seinem Pächter angelegten Verbesserungen zuletzt wieder an sich reißt. Dies ist das Geheimnis des stets steigenden Reichtums der großen Grundbesitzer“ [15].

Solange das Privateigentum bestehe, laufe alles auf die Konkurrenz hinaus; sie sei „die Hauptkategorie des Ökonomen, seine liebste Tochter […]. Die nächste Folge des Privateigentums war die Spaltung der Produktion in zwei entgegengesetzte Seiten, die natürliche und die menschliche; den Boden, der ohne die Befruchtung des Menschen tot und steril ist, und die menschliche Tätigkeit, deren erste Bedingung eben der Boden ist […]. Ein Grundstück steht dem andern, ein Kapital dem andern, eine Arbeitskraft der andern gegenüber. Mit andern Worten: Weil das Privateigentum jeden auf seine eigne rohe Einzelheit isoliert und weil jeder dennoch dasselbe Interesse hat wie sein Nachbar, so steht ein Grundbesitzer dem andern, ein Kapitalist dem andern, ein Arbeiter dem andern feindselig gegenüber. In dieser Verfeindung der gleichen Interessen eben um ihrer Gleichheit willen ist die Unsittlichkeit des bisherigen Zustands der Menschheit vollendet, und diese Vollendung ist die Konkurrenz“ [16].

Engels erklärt, warum die Undurchschaubarkeit des Markts das Kapital zwinge, zum Schaden von Mensch und Natur kurzfristig zu denken und zu handeln: „Der Kampf von Kapital gegen Kapital, Arbeit gegen Arbeit, Boden gegen Boden treibt die Produktion in eine Fieberhitze hinein, in der sie alle natürlichen und vernünftigen Verhältnisse auf den Kopf stellt. Kein Kapital kann die Konkurrenz des andern aushalten, wenn es nicht auf die höchste Stufe der Tätigkeit gebracht wird. Kein Grundstück kann mit Nutzen bebaut werden, wenn es nicht seine Produktionskraft stets steigert. Kein Arbeiter kann sich gegen seine Konkurrenten halten, wenn er nicht seine ganzen Kräfte der Arbeit widmet“ [1 7]. Die Zufuhr sei „entweder zu groß oder zu klein, nie der Nachfrage entsprechend, weil in diesem bewusstlosen Zustande der Menschheit kein Mensch weiß, wie groß diese oder jene ist. Ist die Nachfrage größer als die Zufuhr, so steigt der Preis, und dadurch wird die Zufuhr gleichsam irritiert; sowie sie sich im Markte zeigt, fallen die Preise, und wenn sie größer wird als jene, so wird der Fall der Preise so bedeutend, dass die Nachfrage dadurch wieder aufgereizt wird. […] Dies Gesetz mit seiner steten Ausgleichung, wo, was hier verloren, dort wieder gewonnen wird, findet der Ökonom wunderschön. […] Ein Gesetz, das die Revolution erzeugt. Der Ökonom kommt mit seiner schönen Theorie von Nachfrage und Zufuhr heran, beweist euch, dass ‚nie zu viel produziert werden kann‘, und die Praxis antwortet mit Handelskrisen, die so regelmäßig wiederkehren wie die Kometen und deren wir jetzt durchschnittlich alle fünf bis sieben Jahre eine haben“ [18]. In diesem Strudel müsse jeder „Spekulant werden, d.h. ernten, wo er nicht gesäet hat, durch den Verlust anderer sich bereichern, auf das Unglück andrer kalkulieren oder den Zufall für sich gewinnen lassen […] der Kulminationspunkt der Unsittlichkeit ist die Börsenspekulation in Fonds“ [19].

„Wüssten die Produzenten als solche, wie viel die Konsumenten bedürften, organisierten sie die Produktion, verteilten sie unter sich, so wären die Schwankungen der Konkurrenz und ihre Neigung zur Krisis unmöglich. Produziert mit Bewusstsein, als Menschen, nicht als zersplitterte Atome ohne Gattungsbewusstsein, und ihr seid über alle diese künstlichen und unhaltbaren Gegensätze hinaus. […] Die Wahrheit des Konkurrenzverhältnisses ist das Verhältnis der Konsumtionskraft zur Produktionskraft. In einem der Menschheit würdigen Zustande wird es keine andere Konkurrenz als diese geben. Die Gemeinde wird zu berechnen haben, was sie mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln erzeugen kann, und nach dem Verhältnis dieser Produktionskraft zur Masse der Konsumenten bestimmen, inwieweit sie die Produktion zu steigern oder nachzulassen, inwieweit sie dem Luxus nachzugeben oder ihn zu beschränken hat“ [20]. – Engels‘ „wahre Gesellschaft“ ist jenseits der bürgerlichen Konkurrenz angesiedelt: „Lassen wir hier wieder das Privateigentum fallen, so reduziert sich der Grundzins auf seine Wahrheit, auf die vernünftige Anschauung, die ihm wesentlich zugrunde liegt. Der als Grundzins vom Boden getrennte Wert desselben fällt alsdann in den Boden selbst zurück. Dieser Wert, der zu messen ist durch die Produktionsfähigkeit gleicher Flächen bei gleicher darauf verwendeter Arbeit, kommt allerdings als Teil der Produktionskosten bei der Wertbestimmung der Produkte in Anschlag und ist wie der Grundzins das Verhältnis der Produktionsfähigkeit zur Konkurrenz, aber zur wahren Konkurrenz, wie sie (in) ihrer Zeit entwickelt werden wird“ [21 ].

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Zur Aufhebung der Malthusschen Bevölkerungstheorie in den „Umrisse(n)“

Engels nennt die Malthussche Bevölkerungstheorie „das rauhste und barbarischste System, das je existierte, ein System der Verzweiflung […]; sie erzeugten und hoben das Fabriksystem und die moderne Sklaverei, die der alten in nichts nachgibt an Unmenschlichkeit und Grausamkeit“ [22]. Keiner, „der sich in den Kampf der Konkurrenz einlässt, kann ihn ohne die höchste Anstrengung seiner Kräfte, ohne die Aufgebung aller wahrhaft menschlichen Zwecke aushalten […] so muss in der Entwicklung der Produktion eine Stufe eintreten, in der so viel überzählige Produktionskraft vorhanden ist, dass die große Masse der Nation nichts zu leben hat, dass die Leute vor lauter Überfluss verhungern“ [23]. „Ein Teil des Landes wird aufs beste kultiviert, während ein andrer […] wüst daliegt. Ein Teil des Kapitals zirkuliert mit ungeheurer Schnelligkeit, ein andrer liegt tot im Kasten. Ein Teil der Arbeiter arbeitet vierzehn, sechzehn Stunden des Tages, während ein anderer faul und untätig dasteht und verhungert. Oder die Verteilung tritt aus dieser Gleichzeitigkeit heraus: Heute geht der Handel gut […] – morgen tritt eine Stockung ein, der Ackerbau lohnt nicht der Mühe, ganze Strecken bleiben unbebaut, das Kapital erstarrt mitten im Flusse, die Arbeiter haben keine Beschäftigung, und das ganze Land laboriert an überflüssigem Reichtum und überflüssiger Bevölkerung“ [24].

„Hätte Malthus die Sache nicht so einseitig betrachtet, so müsste er gesehen haben, dass die überzählige Bevölkerung oder Arbeitskraft stets mit überzähligem Reichtum, überzähligem Kapital und überzähligem Grundbesitz verknüpft ist. […] Wenn es aber eine Tatsache ist, dass jeder Erwachsene mehr produziert, als er selbst verzehren kann […], so sollte man meinen, jeder Arbeiter müsste weit mehr erzeugen können, als er braucht, und die Gemeinde müsste ihn daher gern mit allem versorgen wollen, was er nötig hat […]. Aber der Ökonom in der Roheit seiner Anschauung kennt kein andres Äquivalent als das ihm in handbarem Gelde ausgezahlt wird“ [25].  Wo stehe „erwiesen, dass die Ertragsfähigkeit des Bodens sich in arithmetischer Progression vermehre?“ Es „bleibt noch ein drittes Element, das dem Ökonomen freilich nie etwas gilt, die Wissenschaft, und deren Fortschritt ist so unendlich und wenigstens ebenso rasch als der der Bevölkerung“ [26].

Die Lösung liegt für Engels auf der Hand: „Wir vernichten den Widerspruch einfach dadurch, dass wir ihn aufheben. Mit der Verschmelzung der jetzt entgegengesetzten Interessen verschwindet der Gegensatz zwischen Überbevölkerung hier und Überreichtum dort […]; verschwindet die wahnsinnige Behauptung, dass die Erde nicht die Kraft habe, die Menschen zu ernähren“ [27]. Hier verweist Engels unter anderem auf Justus Liebig, den Begründer der Agrarchemie. Wir seien durch Malthus‘ Theorie, „wie überhaupt durch die Ökonomie, auf die Produktionskraft der Erde und der Menschheit aufmerksam geworden. Wir ziehen aus ihr die stärksten ökonomischen Argumente für eine soziale Umgestaltung […]. Wir haben durch sie [die Übervölkerung – d. Autor] „die tiefste Erniedrigung der Menschheit, ihre Abhängigkeit vom Konkurrenzverhältnis kennengelernt; sie hat uns gezeigt, wie in letzter Instanz das Privateigentum den Menschen zu einer Ware gemacht hat, […] das alles treibt uns zur Aufhebung dieser Erniedrigung der Menschheit durch die Aufhebung des Privateigentums, der Konkurrenz und der entgegengesetzten Interessen“ [28].

An die Linksfraktion im Bundestag: Ein „Plan B“ reicht bei weitem nicht aus!

Seit Beginn der Industriellen Revolution hat sich die Menschheit von einer Milliarde auf sieben Milliarden vermehrt, mit weiter steigender Tendenz. Ohne Erfindung und Einsatz des Kunstdüngers, gewonnen durch das Haber-Bosch-Verfahren, würde die Gesamtfläche des Planeten Erde zur Ernährung der Spezies Mensch bei weitem nicht mehr ausreichen. Die Herstellung von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff ist jedoch extrem energieintensiv – inklusive dem Treibstoffbedarf für landwirtschaftliche Geräte, Transport etc. werden pro Kalorie Nahrung zehn Kalorien Erdöl benötigt [29]. Laut Peak-Oil-Studie der Bundeswehr ist das Fördermaximum des Schwarzen Golds überschritten [30]. Wie viele Milliarden Menschen vor allem im Globalen Süden werden den unausweichlichen Wandel zur postfossilen Zukunft nicht überleben?

Nicht nur die Bundeswehr stellt sich auf den von ihr erwarteten Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaftsweise ein. Karl Wagner vom Club of Rome geht davon aus, „dass der Widerstand von heute an immer intensiver wird und in den 2020er Jahren in Europa und den Vereinigten Staaten einen Höhepunkt erreicht, um dann zwangsläufig in irgendeine Art von Revolution zu münden. Das ist unvermeidlich, da das alte System nicht von selbst verschwindet“ [31 ]. Die AutorInnen des „Plan B“ der Linksfraktion im Bundestag rechnen aber auch in der Fassung 2.0 für 2050 mit einer kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft. Sie ignorieren die eindringlichen Warnungen ebenso seriöser wie prominenter NaturwissenschaftlerInnen, dass der Menschheit ein Zeitfenster von zehn, maximal zwanzig Jahren bleibt, um die Katastrophen des Anthropozän zwar nicht zu vermeiden – ein Umsteuern wirkt sich infolge der Trägheit etwa des CO2-Abbaus erst in Jahrzehnten aus – , sondern nur noch

die extremsten Befürchtungen nicht eintreten zu lassen. Selbst die imperialistische Ausbeutung des Globalen Südens bleibt unterbelichtet. „Was aber, wenn durch knappe und mangelnde Rohstoffe die Wirtschaft erheblich schrumpft? Werden dann noch genügend Mittel für Investitionen in die sozialökologische Umgestaltung der Wirtschaft vorhanden sein? […] Entweder wir schaffen jetzt den Umbau, wo wir noch reich sind, oder der Umstieg wird sich in späteren Jahrzehnten stark verlangsamen oder gar nicht mehr erfolgen. […] Wenn wir darauf aber keine Antwort finden, dann fahren wir auf dem ‚industriellen Pfad‘ voll in die Katastrophe“ [32].

Aus einem grundlegend veränderten „Plan B“ muss mindestens, und so rasch wie möglich, ein „Plan A“ nicht nur der Linkspartei, sondern aller politischen Kräfte auf dem Planeten Erde werden. Es gibt hoffnungsvolle Ansätze, vor allem die Schriften des US-amerikanischen Marxisten John Bellamy Foster. Die Entdeckung der „Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie“ durch Kari Väyrynen liegt im Trend und auch, dass der stellvertretende DKP-Vorsitzende Hans-Peter Brenner die „Umrisse“, genährt durch Väyrynens Darstellung, in das DKP-Programm zu integrieren sucht [33]. Jedoch reicht es nicht, aus dem Gesamtwerk von Marx/Engels die sozialökologisch kompatiblen Textstellen wie Rosinen herauszupicken. Aus sozialökologischer Sicht ist das Marx-/Engels‘sche Œuvre, wie auf Seite 3 [erster Abschnitt – d. Redakt.] dieser Broschüre dargelegt, widersprüchlich. Eine neuartige Aneignung des Gesamtwerks unter sozialökologischem Aspekt tut Not. Vergleichbar der Erfassung von Wirkzusammenhängen eines komplexen Organismus, z.B. eines Baums, die sich am besten durch Nachvollzug seiner Entwicklung aus dem Keim erschließt (logisch-historisches Verfahren), macht es Sinn, das Gesamtwerk der linken Klassiker aus dessen Keim heraus zu ergründen. Meine Broschüre soll einen ersten Eindruck davon vermitteln.

Zitatnachweis:

[2] Engels, Friedrich: Anti-Dühring, Marx-Engels-Werke (MEW), Berlin, Bd. 20 263.

[3] Löwy, Michael: Destruktiver Fortschritt. Marx, Engels und die Ökologie, Utopie kreativ Nr. 1 47, 312.

[4] vgl. Marx, Karl: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort (MEW 13, 10): „Friedrich Engels, mit dem ich seit dem Erscheinen seiner genialen Skizze zur Kritik der ökonomischen Kategorien (…) einen steten schriftlichen Ideenaustausch unterhielt …“.

[5] Väyrynen, Kari: Der junge Engels und die Entstehung der marxistischen Ökologie.

[6] Löwy, Michael: a. a. O., 31 4.

[7] Engels, Friedrich: Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie (Umrisse), MEW 1 , 505.

[8] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 506

[9] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 507

[10] Mark, Karl: Zur Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 15

[11 ] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 508f.

[12] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 510.

[13] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 509.

[14] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 509.

[15] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 510.

[16] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 513.

[17] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 516.

[18] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 514.

[19] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 515.

[20] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 515f.

[21] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 511

[22] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 501

[23] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 516

[24] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 517

[25] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 519f.

[26] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 521

[27] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 520

[28] Engels, Friedrich: Umrisse, a. a. O., 520f.

[29] http://fm4.orf.at/stories/1711950/

.[30] http://www.peak-oil.com/effizienzrevolution-nach-peak-oil/peak-oil-studie-bundeswehr/

[31 ] Randers, Jørgen (Hrsg.): „2052. Der neue Bericht an den Club of Rome“, München 2012, 62.

[32] http://www.dkp-online.de/zu/441 5/s1501.htm

Siehe:  https://www.oekologische-plattform.de/wp-content/uploads/2014/09/66-72dpi.pdf